Verfahrensgang
AG Berlin-Wedding (Beschluss vom 05.03.2018; Aktenzeichen 21b C 74/17) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Wedding vom 5. März 2018 – 21b C 74/17 – aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gemäß §§ 721 Abs. 6 Nr. 2, 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg.
Die Kammer hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückweisung gemäß § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch gemacht, da das Amtsgericht den von den Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Verlängerung der im Anerkenntnisurteil gewährten Räumungsfrist verfahrensfehlerhaft verneint hat.
Ein Anspruch auf Verlängerung einer gerichtlich gewährten Räumungsfrist kann gemäß § 721 Abs. 3 ZPO insbesondere dann bestehen, wenn die Suche nach Ersatzwohnraum während der gewährten Räumungsfrist – trotz hinreichender Bemühungen des Mieters – erfolgslos war (vgl. Lehmann-Richter, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 721 ZPO Rz. 64 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nach dem bisherigen Vortrag der – zum Teil unter Betreuung stehenden – Beklagten erfüllt:
Die Beklagten haben behauptet, die von ihnen entfalteten Bemühungen zur Anmietung von Ersatzwohnraum seien bislang erfolglos geblieben, da sie als Bezieher staatlicher Transferleistungen auf dem stark angespannten Berliner Wohnungsmarkt keine realistische Chance auf Anmietung von Ersatzwohnraum mehr hätten. Es käme erschwerend hinzu, dass sie beide bei der Schufa eingetragen seien und sie die von der Klägerin erbetene Mietschuldensfreiheitsbescheinigung erst am 19. Dezember 2017 erhalten hätten. Die bereits demnach aussichtslose Suche nach Ersatzwohnraum hätte zusätzlich darunter gelitten, dass sie am 16. Dezember 2017 Eltern eines zweiten Kindes geworden seien.
Das Amtsgericht hat eine Verlängerung der Räumungsfrist verneint, da sich die Beklagten nicht rechtzeitig und hinreichend intensiv um Ersatzwohnraum gekümmert hätten. Damit allerdings hat es den Vortrag der Beklagten nicht hinreichend zur Kenntnis genommen, ihrer Suche nach Ersatzwohnraum wäre bis zum Ablauf der gewährten Räumungsfrist selbst bei gesteigerten Anmietbemühungen auf jeden Fall nicht nur wegen des angespannten Wohnungsmarktes, sondern auch wegen ihrer prekären Einkommensverhältnisse, der über geraume Zeit von der Klägerin verweigerten Mietschuldensfreiheitsbescheinigung und der Geburt ihres zweiten Kindes im Dezember 2017 der Erfolg versagt geblieben.
Bei der neuerlich im Rahmen des § 721 Abs. 3 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung wird das Amtsgericht den gesamten Vortrag der Beklagten zu berücksichtigen und zu befinden haben, ob den Beklagten auch bei hinreichender Suche tatsächlich die Anmietung von Ersatzwohnraum bis zum Ablauf der ursprünglichen Räumungsfrist möglich gewesen wäre. Dabei werden nicht nur die besonderen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu berücksichtigen sein. Es wird auch zu erwägen sein, ob den Beklagten mit Blick auf die zwischen den Parteien streitige Möglichkeit zur rechtzeitigen Beschaffung von Ersatzwohnraum nicht allein deshalb Beweiserleichterungen zu Gute kommen, weil die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in Berlin ausweislich der Mietenbegrenzungsverordnung des Senats vom 28. April 2015 (GVBl. 2015, S. 101) besonders gefährdet ist (vgl. Kammer, Urt. v. 25. Januar 2018 – 67 S 272/17, WuM 2018, 166, juris Tz. 9).
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestanden nicht, § 574 Abs.2, Abs. 3 ZPO.
Unterschriften
Reinke
Fundstellen
Haufe-Index 12098137 |
WuM 2018, 383 |
MK 2018, 91 |