Verfahrensgang

AG Berlin-Mitte (Beschluss vom 18.12.2023; Aktenzeichen 122 C 237/22)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts Mitte vom 18. Dezember 2023 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die gemäß §§ 721 Abs. 6 Nr. 2, 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg.

Die Kammer hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückweisung gemäß § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch gemacht, da das Amtsgericht den Sachvortrag des Klägers, mit der dieser die tatsächlichen Voraussetzungen des beklagtenseits geltend gemachten Anspruchs auf Verlängerung der im Urteil gewährten Räumungsfrist in Abrede gestellt hatte, verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt hat.

Ein Anspruch auf Verlängerung einer gerichtlich gewährten Räumungsfrist kann gemäß § 721 Abs. 3 ZPO insbesondere dann bestehen, wenn die Suche nach Ersatzwohnraum während der gewährten Räumungsfrist – trotz hinreichender Bemühungen des Mieters – erfolgslos war (st. Rspr., vgl. nur Kammer, Beschl. v. 19. Oktober 2023 – 67 T 79/23, WuM 2024, 50, beckonline Tz. 3). Diese Voraussetzungen sind nach dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht erfüllt.

Der Kläger hat nicht nur die angeblichen Bemühungen des Beklagten um Ersatzwohnraum, sondern auch dessen Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bestritten.

Das Amtsgericht hat gleichwohl eine Verlängerung der Räumungsfrist angeordnet, da der Berliner Wohnungsmarkt „gerichtsbekannt angespannt” sei. Zudem habe der Beklagte seine Bemühungen um Ersatzwohnraum „unter Vorlage von Unterlagen dargelegt”.

Das ist nicht frei von Verfahrensfehlern, da den Mieter – nicht anders als bei § 574 Abs. 2 ZPO – die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, ob die Voraussetzungen für eine Verlängerung nach § 721 Abs. 3 ZPO vorliegen (vgl. Kammer, Urt. v. 25. Januar 2024 – 67 S 264/22, juris Tz. 25 (zu § 574 Abs. 2 BGB). An die Beweisführung sind zwar keine für den Mieter unüberwindlichen Anforderungen zu stellen (vgl. Kammer, Urt. v. 25. Januar 2024, a.a.O. Tz. 26 ff. (zu § 574 Abs. 2 BGB)). Gleichwohl sind die Gerichte verpflichtet, im Falle gegenläufigen Sachvortrags die zwischen den Parteien streitigen Tatsachen im Rahmen einer Beweiserhebung aufzuklären und dazu die angebotenen Beweise zu erheben und zu würdigen. Der bloße tatrichterliche Pauschalverweis auf eine angeblich gerichtsbekannte Lage am Wohnungsmarkt reicht dazu weder bei § 574 Abs. 2 BGB noch bei § 721 Abs. 3 ZPO aus (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2023 – VIII ZR 180/18, BeckRS 2019, 11772 Tz. 52 (zu § 574 Abs. 2 BGB)). Diesen Grundsätzen genügt die angefochtene Entscheidung nicht.

Bei der neuerlich im Rahmen des § 721 Abs. 3 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung wird das Amtsgericht den gesamten Vortrag des Klägers zu berücksichtigen und zu befinden haben, ob dem Beklagten bei hinreichender Suche tatsächlich die Anmietung von Ersatzwohnraum bis zum Ablauf der ursprünglichen Räumungsfrist unmöglich gewesen wäre. Dabei wird es zu klären haben, ob sich der Beklagte tatsächlich innerhalb der ursprünglich gewährten Räumungsfrist um Ersatzwohnraum beworben hat. Insoweit trägt der bisherige Verweis des Amtsgerichts auf angeblich eingereichte Unterlagen nicht. Denn der Beklagte hat – wie die Beschwerde zu Recht rügt – überhaupt keine Unterlagen eingereicht. Es kommt hinzu, dass mit der bloßen Einreichung von Bewerbungsunterlagen durch den Mieter noch nicht der Beweis geführt wäre, dass den Unterlagen auch tatsächliche Bewerbungsbemühungen des Mieters zu Grunde liegen.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestanden nicht, § 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 16322458

RdW 2024, 569

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