1 Leitsatz
Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung einer Räumungsfrist trägt der Mieter. Dabei ist die bloße Einreichung von Bewerbungsunterlagen für die Wohnungssuche allein nicht als Beweis ausreichend, dass sich der Mieter tatsächlich um Ersatzwohnraum bemüht hat. Auch das Gericht darf eine Verlängerung der Räumungsfrist nicht mit dem schlichten Hinweis auf eine angeblich gerichtsbekannt angespannte Lage am Wohnungsmarkt begründen.
2 Normenkette
BGB §§ 574 ff.; ZPO §§ 721, 794a
3 Das Problem
Über die Sozialklausel der §§ 574 ff. BGB hinaus kann dem Wohnraummieter zusätzlicher Schutz durch einen befristeten Räumungsaufschub gewährt werden. Ob eine Räumungsfrist bewilligt, verlängert oder verkürzt wird, liegt im Ermessen des Gerichts. Gleiches gilt für das Ausmaß der Räumungsfrist. Dabei sind im Einzelfall die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen Zugunsten des Vermieters ist zu berücksichtigen sein Interesse am Freiwerden der Räume sowie das vertragsgemäße oder nicht vertragsgemäße Verhalten des Mieters. Zugunsten des Mieters sind die Umstände zu berücksichtigen, die geeignet sind, die Fortsetzung eines Mietverhältnisses mit Erfolg zu verlangen.
4 Die Entscheidung
In dem vom LG Berlin II entschiedenen Fall hatte das Amtsgericht (AG) die dem Mieter gewährte Räumungsfrist mit den pauschalen Hinweis auf die "gerichtsbekannte Lage am Berliner Wohnungsmarkt" verlängert, obwohl der klagende Vermieter nicht nur die angeblichen Bemühungen des Mieters um Ersatzwohnraum, sondern auch dessen Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bestritten hatte. Auf Beschwerde des Vermieters verwies das LG Berlin die Sache an das AG zurück, da das AG die Verlängerung der Räumungsfrist nur mit dem pauschalen Hinweis auf den "gerichtsbekannten angespannten Berliner Wohnungsmarkt" und damit begründet hat, dass der Mieter seine Bemühungen um Ersatzwohnraum "unter Vorlage von Unterlagen" dargelegt habe. Mit der Einreichung von Bewerbungsunterlagen allein kann der Mieter nicht den Beweis erfolgter Bewerbungsbemühungen führen.
Hinweis
Das LG Berlin wies darauf hin, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verlängerung der Räumungsfrist dem Mieter obliegt. Dabei dürfen an die Beweisführung zwar keine unüberwindlichen Anforderungen gestellt werden; jedoch sind die Gerichte verpflichtet, im Falle gegenteiligen Sachvortrags durch den Vermieter die streitigen Tatsachen im Rahmen einer Beweiserhebung aufzuklären und die dazu angebotenen Beweise zu erheben und zu würdigen. Dies hatte das AG unterlassen.
5 Entscheidung
LG Berlin II, Beschluss v. 17.2.2024, 67 T 108/23, GE 2024, 244