Leitsatz (amtlich)

1. Erklären die mietenden Eheleute nach § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB übereinstimmend gegenüber dem Vermieter, dass das unbefristete Mietverhältnis nur mit einem von ihnen fortgeführt werden soll, so kann dies auch ohne gerichtliche Zuweisungsentscheidung dazu führen, dass der andere Ehegatte aus dem Mietverhältnis ausscheidet. Bleibt im Rechtsstreit streitig, ob und wann die mietenden Eheleute tatsächlich geschieden wurden, ist aber davon auszugehen, dass beide Eheleute weiterhin Mieter sind.

2. Ein mit qualifizierter elektronischer Signatur des Prozessbevollmächtigten versehener Schriftsatz genügt der gesetzlichen Schriftform gemäß §§ 568 Abs. 1, 126 Abs. 3, 126a Abs. 1 BGB. Wird er gemäß § 298 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO nebst des die Wahrung der Form belegenden Transfervermerks für die in Papierform geführten Akten sowie zum Zwecke der Zustellung ausgedruckt, gemäß § 169 Abs. 2 ZPO beglaubigt und geht dem Mieter in dieser Form zu, so genügt die im Schriftsatz erklärte Kündigung dem Schriftformerfordernis des § 568 Abs. 1 BGB.

3. Fügt die Geschäftsstelle dem für den Mieter bestimmten Ausdruck des Schriftsatzes weder den Transfervermerk nach § 298 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO noch die Beglaubigung nach § 169 Abs. 2 ZPO bei, so wahrt die dem Mieter zugegangene Kopie der Kündigungserklärung nicht die gesetzliche Schriftform nach § 568 Abs. 1 BGB. Dem Mieter kann die Berufung auf den Formmangel aber gemäß § 242 BGB als missbräuchlich verwehrt sein, wenn er sich zunächst schriftlich mit den Kündigungsgründen auseinandergesetzt und gemäß § 295 ZPO rügelos über das auf die Kündigungserklärung gestützte Räumungsbegehren verhandelt hat, ohne den Formverstoß geltend zu machen.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Köpenick (Urteil vom 18.05.2022; Aktenzeichen 6 C 8/22)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. Mai 2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köpenick – 6 C 8/22 – wird zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ab sofort ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 EUR abzuwenden, falls nicht die Kläger vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagten haben die Kosten der Berufung zu tragen.

Der Streitwert wird auch für die Berufungsinstanz auf 9.072,00 EUR (12 × 756,00 EUR [Jahresnettokaltmiete]) festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger nimmt die Beklagten auf Räumung der im Jahr 2006 angemieteten Wohnung in Anspruch. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der im ersten Rechtszug zur Entscheidung gestellten Anträge wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, das den Beklagten am 31. Mai 2022 zugestellt worden ist. Das Amtsgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung verurteilt.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihren am 15. sowie am 29. Juni 2022 bei Gericht eingegangenen und nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 31. August 2022 begründeten Berufungen. Sie rügen, die im Schriftsatz vom 8. Februar 2022 erklärte Kündigung genüge nicht der nach § 568 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Schriftform und der schon vorgerichtlich mit Kündigungserklärung vom 28. Mai 2021 geltend gemachte Eigenbedarf bestehe tatsächlich nicht. Der per beA auf elektronischem Wege bei Gericht eingereichte Schriftsatz vom 8. Februar 2022 sei von der Geschäftsstelle lediglich ausgedruckt, aber nicht beglaubigt und ihnen bloß als einfache Kopie zugestellt worden.

Die Beklagten beantragen sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Die Kammer hat die Parteien mit Beschluss vom 12. Oktober 2022 darauf hingewiesen, dass sie der Berufung keine Erfolgsaussichten beimesse und beabsichtige, das Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Beklagten halten mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 daran fest, dass die Kündigungserklärung im Schriftsatz vom 8. Februar 2022 mangels Wahrung der Schriftform nichtig sei. Dem gegenüber stellen sie nicht mehr in Abrede, dass neben dem Beklagten zu 2. auch die Beklagte zu 1. weiterhin Partei des Mietverhältnisses ist.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zurückzuweisen, da die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind, die zulässige Berufung insbesondere offensichtlich unbegründet ist.

Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss der Kammer vom 12. Oktober 2022 Bezug genommen. Die Kammer hält an ihren dort nieder gelegten Erwägungen fest. Die Beklagten können nicht erfolgreich mit Nichtwissen bestreiten, dass der klägerische Schriftsatz vom 8. Februar 2022 mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des klägerischen Prozessbevollmächtigten versehen, elektronisch bei Gericht eingereicht und anschließend gemäß § 298 ZPO unter Errichtung eines Transfervermerks in die Papierform über...

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