Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zum Rechtsentscheid: Mietpreisüberhöhung bei Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Es soll ein Rechtsentscheid des Kammergerichtes zu folgender Frage eingeholt werden:
Bleibt die Vereinbarung eines die ortsübliche Vergleichsmiete wesentlich überschreitenden Mietzinses von einer nachfolgenden Veränderung, insbesondere einem Ansteigen, der ortsüblichen Vergleichsmiete unberührt?
Falls diese Frage mit nein zu beantworten sein sollte, soll ein Rechtsentscheid über folgende Frage eingeholt werden.:
Führt die nachfolgende Änderung der ortsüblichen Vergleichsmiete dazu,
a) daß dem Vermieter stets 120% der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Berücksichtigung deren ständiger, insbesondere monatlicher oder jährlicher Veränderung zustehen, oder
b) der Vermieter nur den Mietzins verlangen kann, den er im Falle des Ausschöpfens aller Erhöhungsmöglichkeiten verlangen könnte, wenn von vornherein nur ein Mietzins in Höhe von 120% der zum Zeitpunkt der Vereinbarung bestehenden ortsüblichen Vergleichsmiete getroffen worden wäre, oder
c) ist der dem Vermieter zustehende Betrag auf einer noch anderen Basis zu ermitteln?
Den Parteien wird anheimgestellt, binnen eines Monats Stellungnahmen einzureichen.
(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes)
2. Zitierungen: Entgegen OLG Hamm, 1983-03-03, 4 REMiet 9/82, WuM 1983, 108 und OLG Frankfurt, 1985-04-04, 20 REMiet 3/85, WuM 1985, 139.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die klagenden Mieter verlangen von dem beklagten Vermieter Rückzahlung vermeintlich überzahlten Mietzinses in Höhe von monatlich 354,54 DM zuzüglich weiterer 0,33 DM, insgesamt 7 091,13 DM, hauptsächlich für den Zeitraum von August 1989 bis März 1991 und hilfsweise Rückzahlung einer überhöhten Kaution und überhöhten Mietzinses in der Folgezeit. Der Beklagte verlangt hilfswiderklagend die Feststellung, daß sich der von den Klägern geschuldete Bruttokaltmietzins seit dem 1.10.1993 auf 593,67 DM belaufe.
Die Kläger zahlten eine Kaution in Höhe von 2 312,70 DM und vom 1.8.1989 bis zum 28.2.1994 unverändert den vereinbarten Mietzins in Höhe von monatlich 800,90 DM brutto kalt.
Der Beklagte erstattete ihnen wegen Mietpreisüberhöhung für diesen Zeitraum monatlich 87,11 DM, insgesamt 4 791,05 DM. Nach Feststellung der Kammer betrug die ortsübliche Vergleichsmiete vom 1.8.1989 bis zum 1.4.1990 368,99 DM brutto kalt. Am 1.10.1991 betrug die ortsübliche Vergleichsmiete 398,49 DM brutto kalt. Am 1.10.1993 betrug die ortsübliche Vergleichsmiete 475,38 DM brutto kalt.
Entscheidungsgründe
II. Die Kammer ist der Auffassung, daß eine Vereinbarung, die den ortsüblichen Mietzins wesentlich übersteigt, gemäß §§ 5 WiStG, 134 BGB unheilbar nichtig ist. Im vorliegenden Rechtsstreit hätte dies zur Folge, daß die Kläger nicht nur im August 1989 sondern auch für die Folgezeit keine über 442,79 DM monatlich brutto kalt hinausgehenden Mietzinszahlungen schuldeten.
Dieser Auffassung der Kammer stehen zwei RE entgegen. Das OLG Hamm (WM 1983, 108, III) hat - ohne diese Auffassung weiter zu begründen - entschieden, daß der Vereinbarung nachfolgende Veränderungen der ortsüblichen Vergleichsmiete zu berücksichtigen seien. Das OLG Frankfurt (WM 1985, 139, 140) hat ausgesprochen, daß es nicht gewollt sein könne, wenn der Vermieter Mietzins rückerstatten müsse, obwohl eine zwischenzeitliche Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete dazu geführt habe, daß der ursprünglich vereinbarte Mietzins inzwischen ortsüblich geworden sei.
Die Kammer beabsichtigt, von diesen RE abzuweichen. Die Abweichung ist entscheidungserheblich, so daß der Rechtsstreit gemäß § 541 ZPO dem KG vorzulegen ist. Hinsichtlich der Bescheidung der Widerklage ist die Entscheidungsrelevanz der Abweichung evident. Daß dies auch hinsichtlich der Klage der Fall ist, soll im Interesse einer besseren Verständlichkeit der Darstellung ausnahmsweise späteren Ausführungen vorbehalten bleiben.
Beide RE leiden darunter, daß sie keine nachvollziehbare dogmatisch faßbare Begründung enthalten. Das OLG Hamm (a.a.O.) scheint es als unproblematisch und selbstverständlich vorauszusetzen, daß die Unwirksamkeit der Vereinbarung durch die nachfolgende Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmiete geheilt werde. Das OLG Frankfurt (a.a.O.) argumentiert eher emotional. Auf welche Rechtsfigur es seine Konstruktion stützt, bleibt unklar. Interessanterweise teilt allerdings das OLG Frankfurt - soweit ersichtlich gegen die gesamten bisher diesbezüglich erfolgten Veröffentlichungen - den Standpunkt der Kammer, daß der nichtige Teil der Mietzinsvereinbarung unheilbar nichtig ist.
III. Die Kammer teilt das emotionale Unbehagen des OLG Frankfurt. Aber gerade in einem so sensiblen Bereich wie einer auf Gesetzeswidrigkeit gestützten Nichtigkeit bedarf es einer dogmatisch sauberen Begründung, warum eine wegen Gesetzesverstoßes nichtige Vereinbarung plötzlich doch wirksam sein soll. Eine derartige dogm...