LG München: Mieterhöhung über den Mietspiegel wegen Inflation

Auch im Rahmen eines Stichtagzuschlags rechtfertigt ein starker Anstieg des Lebenshaltungsindex keine Mieterhöhungen über den Mietspiegelwert hinaus.

Der sogenannte „Stichtagszuschlag“ ist aktuell ein stark umkämpftes Thema zwischen Mietern und Vermietern. Hierbei geht es um Mieterhöhungen, die über die nach dem jeweiligen Mietspiegel zulässige Mieterhöhung hinausgehen, weil der Erhebungsstichtag des Mietspiegels bereits längere Zeit zurückliegt. Bei den zuständigen Amtsgerichten hat sich hierzu eine zum Teil sehr unterschiedliche Rechtsauffassung entwickelt.

Stichtagszuschlag bei ungewöhnlichen Steigerungen der Vergleichsmiete

Der BGH gesteht dem Tatrichter grundsätzlich einen weiten Beurteilungsspielraum zu, wenn in dem Zeitraum zwischen dem Erhebungsstichtag eines Mietspiegels und einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters ungewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festzustellen sind. In diesen Fällen kommt ein angemessener Zuschlag auf die Mietspiegelwerte zur Bildung einer sachgerechten Einzelvergleichsmiete in Betracht. Die Tatsache, dass gem. § 558c Abs. 3 BGB alle 2 Jahre eine Aktualisierung eines einfachen Mietspiegels ansteht, schließt nach der Entscheidung des BGH einen Stichtagszuschlag nicht generell aus, wenn die Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmiete dies als angemessen erscheinen lässt (BGH, Urteil v. 15.3.2017, VIII ZR 295/15).

Vermieterin forderte Berücksichtigung einer Stichtagsdifferenz

Das LG München hat sich in einem ausführlichen Hinweisbeschluss auf den Standpunkt gestellt, dass ein Anstieg des allgemeinen Verbraucherindexes, also eine erhöhte Inflationsrate, keinen Stichtagszuschlag rechtfertigt. Im konkreten Fall begehrte die klagende Vermieterin von ihrem Mieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung, die über die nach dem Mietspiegel der Stadt München aus dem Jahr 2023 zulässige Mieterhöhung hinausging. Die Vermieterin begründete dies mit der seit dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels eingetretenen hohen Inflationsrate. Sie war der Auffassung, die Berücksichtigung einer Stichtagsdifferenz sei vor diesem Hintergrund sachgerecht.

Mieterhöhungsklage ohne Erfolg

Die Mieterhöhungsklage hatte beim AG München keinen Erfolg. Auf die Berufung der Vermieterin teilte das LG München in einem ausführlichen Hinweisbeschluss die Rechtsauffassung der Vorinstanz. Nach Ansicht der Berufungskammer hatte der Amtsrichter den nach der Rechtsprechung des BGH bestehenden Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Angemessenheit von Aufschlägen auf die nach dem Mietspiegel zulässige Erhöhung des Mietzinses beachtet und eingehalten.

Allgemeiner Verbraucherindex rechtfertigt keinen Stichtagszuschlag

Das LG begründete seine Rechtsauffassung damit, dass sich nach der Rechtsprechung des BGH ein Stichtagzuschlag zwar auf eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete, nicht aber auf den Anstieg des allgemeinen Verbraucherpreisindex stützen lässt. Dem Verbraucherpreisindex liege ein Warenkorb mit ca. 700 diversen Gütern zugrunde. Dieser Warenkorb repräsentiere daher überwiegend Waren und Dienstleistungen, die mit der Höhe der Monatsmiete für Wohnungen nicht in Zusammenhang stünden. Dem Verbraucherpreisindex könne für den spezifischen Anstieg der Wohnungsmieten und für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete daher keine belastbare Aussage entnommen werden.

LG betont Befriedungsfunktion der Mietspiegel

Die Berufungskammer äußerte in ihrem Hinweisbeschluss auch grundsätzliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der verbreiteten Stichtagspraxis. Diese habe zu erheblichen Rechtsunsicherheiten geführt. Die in diesem Zusammenhang entstandene unterschiedliche Rechtspraxis bei den Amtsgerichten gefährde die in der Praxis bedeutsame Befriedungsfunktion der Mietspiegel auf angespannten Mietmärkten.

Berufung nach gerichtlichem Hinweis zurückgenommen

Der Hinweis, dass die Kammer die Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis für richtig halte, veranlasste die Klägerin, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzunehmen. Dieses ist damit rechtskräftig. Ob dieses Ergebnis über die Region München hinaus wirken wird, bleibt abzuwarten.

(LG München, Beschluss v. 17.7.2024, 14 S 3692/24)


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