Leitsatz (amtlich)
Ein Verstoß gegen die vorvertragliche Informationsobliegenheit nach § 556g Abs. 1a BGB führt für den gesetzlich bestimmten Mietzeitraum zu einem endgültigen Anspruchsverlust des Vermieters; § 556g Abs. 1a Satz 3 BGB kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigenden Mietbeträge lediglich gesetzlich gestundet würden und nach Ablauf der Zweijahresfrist nachgefordert werden könnten.
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 09.08.2022; Aktenzeichen 214 C 7/22) |
Tenor
– Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 09.08.2022, Aktenzeichen 214 C 7/22, wird zurückgewiesen.
– Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
– Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
– Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 850,08 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 09.08.2022, Aktenzeichen 214 C 7/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer vom 16.11.2022 Bezug genommen. Die dazu erfolgte schriftsätzliche Stellungnahme der Beklagten vom 30.11.2022 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Entgegen der Ansicht der Beklagten führt ein Verstoß gegen die vorvertragliche Informationsobliegenheit nach § 556g Abs. 1a BGB zu einem Anspruchsverlust des Vermieters und nicht lediglich zu einer vorübergehenden Anspruchshemmung. Die Regelung ist als Strafvorschrift gegen Vermieter zu verstehen, die zulässigerweise mehr als 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete als Miete vereinbaren, die Auskunft aber nicht oder erst später erteilen. Ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht führt automatisch zum Rechtsverlust des Vermieters. Dieser kann sich auf die höhere Miete für den gesetzlich bestimmten Zeitraum nicht berufen und muss nach Rüge den überschießenden Teil zurückzahlen (Schmidt/Futterer-Börstinghaus, Mietrecht, 14. Aufl., § 556g BGB Rn. 27a, 27b m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Beklagten funktioniert die gesetzliche Regelung des § 556g Absatz 1a Satz 3 BGB nicht wie eine auf zwei Jahre befristete Verjährungseinrede. Bei der Verjährungseinrede handelt es sich um einen Einwand des Schuldners. Vorliegend ist jedoch der Anspruch des Vermieters als Gläubiger betroffen, sodass schon von vornherein keine mit der Verjährung vergleichbare Konstellation gegeben ist. Die Ansicht der Beklagten würde vielmehr im Ergebnis auf eine Stundung der Ansprüche des Vermieters hinauslaufen. Hätte der Gesetzgeber statt eines Anspruchsverlusts eine Stundung des Mietanspruchs bei nachträglicher Auskunftserteilung einführen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies dementsprechend klarstellend formuliert hätte, wie er dies auch in anderen Fällen gesetzlicher Stundung – vgl. etwa §§ 1382, 1613 Abs. 3 und 2331a BGB – getan hat. Schließlich wäre die Zulassung einer rückwirkenden Geltendmachung von Vermieteransprüchen vor dem Hintergrund des Strafcharakters der Vorschrift auch gänzlich sinnlos. Es erschließt sich nicht, welchem Zweck ein solches Normverständnis dann noch dienen sollte. Da die hier zugrundeliegende Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, sondern eindeutig in dem dargelegten Sinne zu beantworten ist, sind auch keine Revisionszulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt. Der Streitwert entspricht dem Zahlungsbegehren i.H.v. 850,08 EUR. Das Feststellungsbegehren betrifft den gleichen Streitgegenstand, so dass es nicht werterhöhend wirkt.
Unterschriften
Tegeder Vorsitzender Richter am Landgericht, Scharf Richter am Landgericht, Dr. Babucke Richter am Landgericht
Fundstellen