Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorzeitige Rückgabe einer Mietwohnung: Verpflichtung des Vermieters zur Neuvermietung vor Vertragsende
Leitsatz (amtlich)
Bei vorzeitiger Rückgabe einer Wohnung ist der Vermieter jedenfalls dann verpflichtet, sich um eine Neuvermietung vor Vertragsende zu bemühen, wenn es sich um nachgefragten Wohnraum handelt, für den er zudem Wartelisten führt.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die beklagte Mieterin kündigte das Mietverhältnis wegen Vertragsverletzung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum 31.3.1993, gab die Wohnung an diesem Tag zurück und zahlte fortan keinen Mietzins mehr. Die Vermieterin akzeptierte die Kündigung nur als ordentliche Kündigung zum 30.6.1993. Sie vermietete die Wohnung zum 15.8.1993 neu. Ihre auf Zahlung des auf den bis dahin verstrichenen Zeitraum entfallenden Mietzinses gerichtete Klage hatte vor dem AG Schöneberg nur für die Monate April bis Juni 1993 Erfolg. Die Berufung der Beklagten führte zur vollständigen Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Mietzinszahlung aus § 535 BGB ab April 1993, weil das Mietverhältnis seit dem 31.3.1993 beendet ist. Die Beklagte war gemäß § 554a BGB berechtigt, das Mietverhältnis fristlos zu beenden. (wird ausgeführt)
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus § 326 BGB bzw. aus positiver Vertragsverletzung i.V.m. §§ 535, 536 BGB auf entgangenen Mietzins. Es ist im wesentlichen der Klägerin und nicht der Beklagten vorzuwerfen, daß die Wohnung nicht alsbald nach der Rückgabe wieder vermietet worden ist. Dabei ist unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen, die in Berlin herrschende Wohnungsnot - insbesondere die der einkommensschwachen Bürger - zu bekämpfen, denen der alleinige Gesellschafter der Klägerin, das Land Berlin, besonders verpflichtet ist, die Untätigkeit der Klägerin bis zum Juli 1993 auch dann nicht verständlich und nachvollziehbar, wenn diese geglaubt hat, daß das Mietverhältnis bis Ende Juni 1993 fortdauere. Die Beklagte hat am 31.3.1993 die Schlüssel für die Wohnung zurückgegeben und unmißverständlich deutlich gemacht, daß sie die Wohnung nicht mehr nutzen wolle und auf die Wohnung und darin eventuell verbliebene Gegenstände keine Ansprüche mehr erhebe. Preiswerter Wohnraum wie der streitbefangene ist in Berlin nachhaltig nachgefragt, und die Beklagte führt Wartelisten für derartige Wohnungen. Es war daher geboten, sofort die Maßnahmen zu ergreifen, die eine Neuvermietung ermöglicht hätten. Selbst dann, wenn das Mietverhältnis bis zum 30.6.1993 angedauert hätte, wäre die Klägerin aus der ihr obliegenden Treuepflicht, Schädigungen der Beklagten zu vermeiden, verpflichtet gewesen, sich schon vorzeitig um eine Neuvermietung zu bemühen (vgl. LG Hannover WM 1994, 424, 425).
Die Rechtsprechung des BGH, daß ein Vermieter grundsätzlich nicht verpflichtet sei, sich um eine vorzeitige Vermietung zu bemühen (BGH WPM 1980, 1397, 1399 (= WM 1981, 57)), führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch der BGH räumt ein (a.a.O.), daß ein Vermieter nach vorzeitiger Rückgabe jedenfalls dann keinen Anspruch auf weitere Mietzinszahlung habe, wenn er die Neuvermietung arglistig unterläßt. Dabei hält der BGH das Arglistmerkmal schon dann für erfüllt, wenn der Vermieter einen akzeptablen Nachmieter ablehnt (a.a.O.). Abgesehen davon, daß vorliegend die Klägerin unstreitig die Gestellung eines Nachmieters generell abgelehnt hat, handelt sie jedenfalls arglistig in dem vom BGH geprägten Sinne, wenn es ihr gar keine Bemühungen bereitet, einen Nachmieter erst suchen zu müssen, sondern die potentiellen Nachmieter bei ihr bereits Schlange stehen.
Soweit die Beklagte behauptet hat, daß die Wohnung nicht in einem weitervermietungsfähigen Zustand gewesen sei, hat die Kammer bereits in dem Beschluß v. 26.5.1994 in dieser Sache, auf den Bezug genommen wird, darauf hingewiesen, daß der diesbezügliche Vortrag der Klägerin nicht hinreichend substantiiert ist. Dennoch hat die Klägerin insoweit nichts mehr vorgetragen. In der Berufungsverhandlung hat sich diesbezüglich lediglich ergeben, daß die Beklagte ein vom Vormieter übernommenes Schränkchen im Keller stehen gelassen habe. Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß die Beklagte Schönheitsreparaturen schulden würde, geschweige denn, daß deren Ausführung fällig gewesen wäre. Die Klägerin hat auch nicht konkret dargelegt, daß die Wohnung beschädigt worden wäre oder Verschmutzungen vorhanden gewesen seien.
Nun stand zwar das Schränkchen im Keller einer Neuvermietung der Wohnung entgegen, aber unter Zugrundelegung der allgemeinen Lebenserfahrung, daß sich wegen so einer Lappalie kein Mieter einer Sozialwohnung vom Vertragsschluß abhalten lassen wird, ist das Hindernis eher nomineller denn tatsächlicher Natur. Gleichwohl hatte die Klägerin natürlich einen Anspruch darauf, daß die Beklagte das Schränkchen entfernt. Die Entfernung der mietereigenen Sachen ist eine Nebenpflicht zur Rückgabepflicht aus § 556 BGB.
Wenn aber der Vermieter weg...