Verfahrensgang
AG Berlin-Mitte (Urteil vom 14.12.2022; Aktenzeichen 15 C 246/22) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. Dezember 2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte teilweise abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien über die Zwei-Zimmer-Wohnung im Hause … Straße …, 10435 Berlin, Quergebäude, 1. OG. links, mit einer Fläche von ca. 55,19 qm, bestehend aus zwei Zimmern, einem Flur, einer Küche, einem Bad, einem Balkon sowie einem Kellerraum – Nr. 9, wird bis zum 31.12.2023 zu den bisherigen mietvertraglichen Bedingungen und ab dem 01. Januar 2024 auf unbestimmte Zeit mit der Maßgabe fortgesetzt, dass die monatliche Nettokaltmiete ab dem 01. Januar 2024 551,90 EUR beträgt und im Übrigen die sonstigen bisherigen Bedingungen des Mietvertrages fortgelten. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Tatbestand entfällt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung ist in geringem Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus den §§ 546 Abs. 1, 985 BGB.
Keine der streitgegenständlichen Eigenbedarfskündigungen hat im Ergebnis zur Beendigung des zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehenden Mietverhältnisses geführt. Der Beklagte hat den Kündigungen gemäß §§ 574 Abs. 1, 574a Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam widersprochen, da die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine unzumutbare Härte darstellen würde. Er hat gemäß §§ 574a Abs. 2 Satz 2 BGB, 308a Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit zu den aus dem Tenor ersichtlichen Bedingungen.
Die Berufung rügt allerdings im Ausgangspunkt zu Recht, dass dem Kläger ein Kündigungsgrund zur Seite stand, da die Voraussetzungen des § 573 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 BGB vorlagen. Der Vermieter hat gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein berechtigtes Interesse zur Kündigung, wenn er die Wohnung für sich, die zu seinem Haushalt gehörenden Personen oder seine Familienangehörige benötigt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, auch wenn der Beklagte den Eigennutzungswillen des Klägers bestritten hat. Der Kläger hat den von ihm behaupteten Nutzungswunsch als insoweit beweisbelastete Partei zur vollen Überzeugung der Kammer bewiesen (vgl. zum Beweismaß Kammer, Urt. v. 25. September 2014 – 67 S 198/14, NJW 2014, 3585, juris Tz. 5).
Der Kläger hat im Rahmen seiner beantragten Parteieinvernahme, die wegen seiner nicht anders zu beseitigenden Beweisnot geboten war (vgl. BGH, Beschl. v. 27. September 2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249, Tz. 12; Kammer, a.a.O., juris Tz. 7), glaubhaft bekundet, dass er die streitgegenständliche Wohnung beziehen möchte. Zur Begründung hat er angeführt, dass er sich von der Mutter seines minderjährigen Sohnes getrennt habe, er bislang selbst zur Miete wohne und zukünftig räumlich näher an der von seinem Sohn besuchten Kindertagesstätte leben wolle. Die Bekundungen des Klägers waren widerspruchsfrei, reich an realitätstypischen Details und durchgängig spontan. Das spricht für ihre Glaubhaftigkeit. Die Plausibilität des Eigennutzungswunsches spricht ebenfalls für die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen. Denn es ist verständlich und einleuchtend, dass der Kläger es bevorzugt, näher bei seinem Sohn zu wohnen und sich gleichzeitig durch die Nutzung der in seinem Eigentum stehenden Wohnung die Aufwendungen für die Anmietung seiner derzeit genutzten Wohnung jedenfalls anteilig zu ersparen. Anhaltspunkte, die der Kammer hätten Veranlassung gehen müssen, an der Glaubwürdigkeit des Klägers zu zweifeln, bestanden nicht. Dass er als Partei ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hat, vermochte ohne das Hinzutreten weiterer – hier aber fehlender – Umstände keine entscheidungserheblichen Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit zu begründen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 18. Januar 1995 – VIII ZR 23/94, BGHZ 128, 307, juris Tz. 12; Kammer, Urt. v. 19. Oktober 2023 – 67 S 119/23, BeckRS 2023, 32252 Tz. 14). Die Tatgerichte können im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben einer Partei sogar dann glauben, wenn sie im Widerspruch zu den Bekundungen eines Gegenzeugen oder des als Partei vernommenen Prozessgegners stehen (vgl. BGH, Beschl. v. 27. September 2017, a.a.O., Tz. 12 m.w.N.). Das gilt auch hier.
Die gegenteilige Beweiswürdigung des Amtsgerichts gebietet keine dem Beklagten günstigere Beurteilung, da die Kammer nicht an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung gebunden war. Dabei kann dahinstehen, ob das Amtsgericht die Beweise vertretbar gewürdigt hat. Zwar ist das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszugs gebunden. Diese Bindung entfällt jedoch gemäß § 529 Abs. 1 Nr...