Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung: Begründung der Kündigung mit der Absicht zur teilgewerblichen Nutzung und mit altersbedingter Sehbehinderung des Ehegatten des Vermieters
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich darf der Eigenbedarf als Ausdruck des berechtigten Interesses nur auf Wohnen gerichtet sein; es hindert aber die Wohnabsicht nicht, wenn die Mieträume überwiegend zum Wohnen, jedoch zu einem untergeordneten Teil zu geschäftlichen Zwecken (hier: Einrichtung eines Zimmers als Behandlungsraum) genutzt werden sollen (vergleiche BGH, 1984-10-03, VIII ARZ 2/84, BGHZ 92, 213 und BVerfG, 1988-11-23, 1 BvR 308/88, BVerfGE 79, 292).
2. Ein Eigenbedarf des Vermieters für einen Familienangehörigen besteht dann, wenn es seinem Ehegatten wegen dessen altersbedingter Sehbehinderung, durch die sein räumliches Sehvermögen eingeschränkt ist, unmöglich ist, eine Treppe zu benutzen, und dieser deshalb darauf angewiesen ist, die Parterrewohnung des Mieters zu nutzen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 12. Juli 1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg - 10 C 639/89 - wie folgt geändert:
Die Beklagten werden verurteilt, die im Hause ..., ..., Erdgeschoß, gelegene Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern, Badezimmer, Wohnküche, sowie einen Kellerraum, ein daneben liegendes Zimmer und eine Garage geräumt an die Klägerinnen herauszugeben.
Die Beklagten haben die Kosten beider Instanzen zu tragen.
Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Mai 1991 gewährt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen und auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Klägerinnen ist statthaft (§ 511 ZPO), sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO) und demgemäß insgesamt zulässig.
II.
Die Berufung ist begründet.
Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten gemäß § 556 BGB in Verbindung mit § 985 einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Zwar ist durch die Kündigung vom 26. September 1988 das Mietverhältnis nicht beendet worden, da die Kündigungserklärung nicht den Anforderungen des § 564 b Abs. 3 BGB genügt. Danach werden als berechtigte Interessen des Vermieters grundsätzlich nur die Gründe berücksichtigt, die in dem Kündigungsschreiben angegeben sind. Zweck der Vorschrift ist es, daß der Mieter zum frühest möglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition erlangt und so in die Lage versetzt werden soll, rechtzeitig alles erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen.
Inhaltlich muß der Vermieter die Tatsachen, welche das berechtigte Interesse begründen, so konkret bezeichnen, daß sich der Mieter ein Bild über die Aussichten einer etwaigen Räumungsklage des Vermieters machen kann. Stützt der Vermieter wie vorliegend die Kündigung auf Eigenbedarf, so genügt er nur dann seiner Begründungspflicht, wenn er die Person angibt, für die die Wohnung benötigt wird und einen konkreten Sachverhalt, auf den er das Interesse dieser Person zur Erlangung der Wohnung stützt (vgl. BayOblG, ZMR 1981, 334). Diesen Anforderungen genügt das Kündigungsschreiben vom 26. September 1988 nicht. Die Klägerinnen wäre gehalten gewesen, dazulegen, für welche Nebentätigkeit die Wohnung der Beklagten benötigt wird. Nur so wäre für die Beklagten die Möglichkeit gegeben, nachzuprüfen, ob vernünftig und nachvollziehbare Gründe auf seiten der Klägerinnen gegeben sind.
Auch die Kündigung vom 14. August 1989 führte nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses zwischen den Parteien, da eine alleinige Kündigungsberechtigung der Klägerin zu 1) nicht gegeben ist.
Ebensowenig hat die Kündigung vom 31. Oktober 1989 soweit sie auf § 564 b Abs. 4 BGB gestützt wird, das Mietverhältnis zu beenden vermocht. Ob es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude derzeit um ein Gebäude mit drei oder zwei Wohnungen handelt, kann dahinstehen. Jedenfalls lag unstreitig ein Wohngebäude mit mehr als zwei Wohnungen zur Zeit der Begründung des Mietverhältnisses zwischen den Parteien vor. Die Mieter ... haben das Dachgeschoß erst nach Einzug der Beklagten geräumt.
Nach der Rechtsprechung sind für die Anwendung des § 564 b Abs. 4 BGB nicht die Verhältnisse bei Kündigungsausspruch entscheidend, sondern jene bei Mietbeginn. Anderenfalls hätte der Vermieter es nach seinem Belieben in der Hand, durch bauliche Veränderungen den Bestandsschutz des Mieters in nicht vorhersehbarer Weise zu beseitigen (vgl. OLG Hamburg, ZMR 1982, 282).
Jedoch hat die hilfsweise ausgesprochene Eigenbedarfskündigung das Mietverhältnis zum 31. August 1990 beendet.
Die Klägerinnen haben ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten, § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Klägerin zu 1) beabsichtigt nach ihrem eigenen Vortrag, in der streitgegenständlichen Wohnung einen mit einer Liege sowie mit 6 - 10 Stühlen ausgestatteten Behandlungsraum zu errichten. Grundsätzlich darf der Eigenbedarf als Ausdruck de...