Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete im sozialen Wohnungsbau: Nachforderung nicht gezahlter Betriebskostenvorschüsse trotz verfristeter Betriebskostenabrechnung
Orientierungssatz
Wenn der Mieter vereinbarte Betriebskostenvorauszahlungen vertragswidrig nicht geleistet hat, kann der Vermieter abgerechnete Betriebskosten bis zur Höhe der geschuldeten Vorschüsse auch dann nachfordern, wenn er die Abrechnungsfrist versäumt hat. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter die Betriebskostenvorschüsse deshalb nicht gezahlt hat, weil er (berechtigterweise) ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hat. Nachforderungen sind nur insoweit ausgeschlossen, als diese den sich aus den vertraglich vereinbarten Sollvorschüssen ergebenden Betrag übersteigen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Spandau vom 28. Oktober 2004 - 9 C 454/04 - wie folgt geändert und neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.967,81 € nebst 5% Zinsen über den Basiszinssatz hinsichtlich des Beklagten zu 1) seit dem 03. September 2004 und hinsichtlich der Beklagten zu 2) seit dem 04. September 2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung jedoch durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Spandau vom 28. Oktober 2004, Bl. 47 - 51 d. A. verwiesen.
Die Klage ist dem Beklagten am 03. September 2004, der Beklagten am 04. September 2004 zugestellt worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Spandau vom 28.10.2004 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin € 5.967,81 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausgleich der nach den Betriebskosten und Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2000 und 2001 auf die Beklagten entfallenden Heiz- und Betriebskosten gem. § 20 Abs. 1 NMV, 535 Abs. 2 BGB. Dieser Anspruch ist auch nicht gemäß § 20 Abs. 3 Satz 4 NMV deshalb ausgeschlossen, weil die Abrechnungen nicht innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Abrechnungszeitraums den Beklagten zugegangen sind.
Zwar sind nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 3 Satz 4 NMV Nachforderungen nach Ablauf der Abrechnungsfrist ausgeschlossen und auch Vorauszahlungen können nach allgemeiner Meinung nach Ablauf der Abrechnungsfrist nicht mehr verlangt werden.
Es ist jedoch bei der vergleichbaren Regelung des § 556 Abs. 3 BGB für den Fall, dass der Mieter vereinbarte Betriebskostenvorschusszahlungen vertragswidrig nicht geleistet hat, allgemein anerkannt, dass die abgerechneten Betriebskosten bis zur Höhe der vertraglich vereinbarten Vorschusszahlungen auch dann nachgefordert werden können, wenn der Vermieter die Abrechnungsfrist versäumt hat (LG Berlin, Grundeigentum 2005, 57; Sternel, ZMR 2001, 939; Geldmacher NZM 2001, 923; Langenberg in Schmidt/Futterer Mietrecht, 8. Aufl., § 556 Rdn. 469; Schach, Grundeigentum 2001, 475; Emmerich-Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 556 Rdn. 66). Dies schon deshalb, um den vertragswidrig handelnden Mieter nicht gegenüber dem rechtstreu die vereinbarten Vorschüsse leistenden Mieter zu bevorzugen.
Teilweise (wohl Langenberg a.a.O.; wohl auch Staudinger-Weitemeyer, § 556 Rdn. 111) wird dies damit begründet, dass der Begriff der Nachforderung (im Sinne des § 556 Abs. 3 BGB) von vornherein nur solche Kosten betreffe, die die vertraglich vereinbarten Sollvorschüsse übersteigen (jetzt auch BGH, Urteil vom 9. März 2005, Az.: VIII ZR 57/04).
Teilweise (Geldmacher a.a.O.; Sternel a.a.O.; wohl auch Emmerich-Sonnenschein, a.a.O. mit Verweis auf Geldmacher und Sternel) wird dies damit begründet, dass § 556 Abs. 3 BGB, § 20 Abs. 3 NMV einen gesetzlich geregelten Unterfall der Verwirkung darstellen, so dass der sich vertragswidrig verhaltende Mieter nicht schutzwürdig sei.
Die Kammer ist der Auffassung, dass nach der Regelung des § 20 Abs. 3 Satz 4 NMV auch in dem hier gegebenen Fall, dass der Mieter berechtigterweise die Vorschüsse nicht gezahlt hat, weil er ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hat, Nachforderungen nur insoweit ausgeschlossen sind, als diese den sich aus den vertraglich vereinbarten Sollvorschüssen ergebenden Betrag übersteigen. Der gesetzgeberische Zweck der §§ 20 Abs. 3 NMV, 566 Abs. 3 BGB ist es, dass sich der Mieter möglichst rasch darauf einstellen kann, welche Kosten nach Abrechnung noch auf ihn zukommen und ihm zeitnah Sicherheit über den Verbleib seiner Vorauszahlu...