Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietvertragsrecht: Zugang einer Abmahnung bei Wohnsitzwechsel des Mieters. Mietvertragsrecht: einjährige Überlassung einer Einzimmerwohnung an Bruder als Gebrauchsüberlassung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Mieterin, die ohne Mitteilung ihrer neuen Anschrift an die Vermieter für längere Zeit ihren Wohnsitz wechselt und die für diese Zeit ihre Wohnung einem Dritten überläßt, muß eine unter ihrer bisherigen Anschrift zugesandte Abmahnung als ihr zugegangen hinnehmen.

2. Eine zur fristlosen Kündigung gemäß BGB § 553 berechtigende Gebrauchsüberlassung liegt vor, wenn die Mieterin einer Einzimmerwohnung diese für die Dauer eines über zwölf Monate hinaus währenden Auslandsaufenthalts ihrem Bruder überläßt.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Juni 1994 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im Hause ... Berlin, ..., III. OG, Mitte, bestehend aus einem Zimmer, Küche, Korridor und Toilette geräumt an die Klägerinnen herauszugeben.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Januar 1995 gewährt.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 511, 300 Abs. 1, 511a Abs. 1, 516, 518, 519 ZPO zulässige Berufung der Klägerinnen ist begründet.

Der gegen die Beklagte geltend gemachte Räumungsanspruch aus § 556 Abs. 1 BGB steht ihnen zu. Sie haben das Mietverhältnis mit der Beklagten gemäß § 553 BGB wegen unbefugter Gebrauchsüberlassung an einen Dritten, nämlich deren Bruder, wirksam gekündigt.

Nach § 553 BGB muß der Kündigung eine Abmahnung vorausgehen. Diese erfolgte zumindest durch die Kündigung der Klägerinnen vom 5. November 1993. Eine - möglicherweise mangels wirksamer Zustellung vorheriger Abmahnungen an den Mieter - unwirksame Kündigung kann in eine Abmahnung umgedeutet werden (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., IV Rz. 167). Zwar war dieses Schreiben an die Anschrift der Beklagten in der streitbefangenen Wohnung gerichtet, obwohl sie unstreitig ab September 1993 bis September 1994 in Kalifornien studierte; sie muß sich aber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB den Zugang zurechnen lassen. Ein Mieter, der für längere Zeit seinen Wohnsitz wechselt, hat dafür Sorge zu tragen, daß ihm in dieser Zeit rechtsgeschäftliche Erklärungen seines Vermieters zugehen können. Denn bei einem Mietverhältnis als einem Dauerschuldverhältnis ist stets damit zu rechnen, daß der Vermieter den Mietzins betreffende Änderungserklärungen, Ankündigungen oder sonstige Mitteilungen dem Mieter zur Kenntnis bringen möchte. Zumal bei einer längerfristigen Abwesenheit des Mieters hat dieser deshalb gegenüber seinem Vertragspartner entsprechende Informationspflichten. Das gilt insbesondere auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Mieterin von der Mietsache einen vom Vertragszweck nicht gedeckten Gebrauch macht. Denn die Mieterin muß bei solchem Verhalten davon ausgehen, daß die Vermieterseite, sollte sie von der vertragswidrigen Nutzung Kenntnis erlangen, rechtlich gegen sie, die Mieterin, vorgehen würde. Keinesfalls wäre mit Treu und Glauben vereinbar, unter solchen Voraussetzungen geringes Maß an die Sorgfaltspflichten der Mieterin anzulegen, nur um ihr zu ermöglichen, das Herbeiführen von Kündigungsvoraussetzungen durch ihre Vermieterinnen zu vereiteln. Da die Beklagte die sonach gebotene Information der Klägerinnen unterlassen hat, ist sie so zu stellen, als ob die Erklärung rechtzeitig zugegangen wäre (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV Rz. 47) und sie von dieser Kenntnis erlangt hätte.

Die Beklagte hat trotz des Kündigungsschreibens anschließend die Gebrauchsüberlassung an ihren Bruder fortgesetzt, weshalb die darauf gestützte Kündigung der Klägerinnen vom 18. Juli 1994 wirksam ist. Diese Kündigung ist ihr zugegangen, denn sie ist ihr unstreitig nach Kalifornien nachgeschickt worden.

Die Kündigung ist materiell begründet, weil die Beklagte ein Recht auf Untervermietung nach § 549 Abs. 2 BGB nicht hat.

Der Wunsch, entferntere Verwandte, wozu auch Geschwister zählen, aufzunehmen, reicht für ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Norm nicht aus (BayObLG, WuM 1984, 13). Zudem hat die Beklagte gar nicht den Willen, mit ihrem Bruder zusammenzuleben, ihn also "aufzunehmen", denn er sollte die Wohnung gerade während ihrer Ortsabwesenheit nutzen dürfen (vgl. LG Berlin, GE 1988, 409). Darüber hinaus hat sie ihrem Bruder die Wohnung im ganzen überlassen und ist selbst nur gelegentlich zu Besuch gekommen. Aus § 549 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt sich aber, daß ein berechtigtes Interesse des Mieters nur insoweit anzuerkennen ist, als er lediglich einen Teil des Wohnraums einem Dritten überlassen will. Bei einer monatelangen Abwesenheit ist jedoch von einer Gesamtüberlassung auszugehen (Bub/Treier, a.a.O., III. A Rz. 1020), abgesehen davon, daß nicht erke...

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