Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 16.11.2001; Aktenzeichen 17 C 63/00) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16. November 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg teilweise geändert:
Die Klage wird angewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin gegen das zu I. genannte Urteil wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3 zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen beider Parteien sind statthaft und auch sonst zulässig, in der Sache hat jedoch nur die Berufung des Beklagten zum Teil Erfolg. Die geltend gemachten Mietzinsforderungen für April 1999 bis Oktober 1999 standen der Klägerin (nur) in der von dem Amtsgericht zuerkannten Höhe, nämlich nach Abzug einer 15 %igen Minderung, zunächst z.u. Der sich ergebende Betrag von 1.801,80 DM ist jedoch durch die Hilfsaufrechnung des Beklagten erloschen.
Die Minderung bemisst sich – wie von dem Amtsgericht erkannt – im Streitzeitraum auf 15 %. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht überstieg die PAK-Belastung in der Wohnung des Beklagten die mittlere Hintergrundbelastung um mehr als 100 %, was nach den Ausführungen des Sachverständigen in der Gutachtenergänzung vom 12. September 2001 näherungsweise einer Verdoppelung des Risikos für gesundheitliche Beeinträchtigungen entspricht. Diese Steigerung hält das Gericht mit Blick auf das kanzerogene Potential bei polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen für eine hinreichend konkrete Gefährdung, die mit sich bringt, dass der Mieter die Mietsache nur in der Befürchtung der Gefahrverwirklichung nutzen kann. Da es sich um eine Belastung der Atemluft handelt, die sich üblicherweise innerhalb der Wohnung verteilt, ist bei der Bemessung der Minderung entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht nur die Fläche des betroffenen Zimmers zu berücksichtigen.
Die von dem Beklagten zu Unrecht einbehaltenen Beträge von insgesamt 1.801,80 DM sind allerdings von der Klägerin nicht mehr zu fordern, weil der Beklagte gegen diese Mietzinsschuld wirksam mit einem Rückforderungsanspruch gemäß § 812 BGB aus den Monaten Januar 1995 bis September 1996 aufgerechnet hat. In dieser Zeit war der Mietzins um 5 % monatlich gemindert, weil die vorgenannte Gesundheitsgefährdung durch die erhöhte PAK-Belastung bereits objektiv vorlag. Der Umstand, dass der Beklagte den Mietzins dennoch vorbehaltlos zahlte, führt zwar für die Zeit ab April 1998 analog § 539 BGB a.F. zu einem Verlust des Minderungsrechts, denn für diese Zeit ist aus dem Vortrag des Beklagten festzustellen, dass er aus den von ihm eingereichten Presseveröffentlichungen die Möglichkeit der Gesundheitsbeeinträchtigung durch den Parkettkleber in seiner Wohnung kannte und insoweit die Zahlung des Mietzinses unter den Vorbehalt der Rückforderung hätte stellen können. Jedenfalls für die Zeit bis September 1996 ist eine solche Kenntnis des Beklagten allerdings nicht erkennbar.
Der Umstand, dass der Beklagte in dem genannten Zeitraum keine Kenntnis von der PAK-Belastung seiner Wohnung hatte, wirkt sich allerdings auf die Höhe der angemessenen Minderung aus und führt dazu, dass diese mit 5 % des Nettomietzinses zu bemessen ist. Denn der Beklagte nutzte in diesem Zeitraum die Wohnung in gleicher Weise wie eine mangelfreie Wohnung, ohne sich in der Nutzung beeinträchtigt zu fühlen. Anders als sonstige Mängel, die bei fehlender Kenntnis des Mieters den vertragsgemäßen Gebrauch gar nicht beeinträchtigen, ist zwar bei Schadstoffbelastungen wegen der tatsächlichen Einwirkung auf den Körper der vertragsgemäße Gebrauch objektiv beeinträchtigt. Die Kenntnis von dieser Beeinträchtigung ist jedoch ein entscheidender Faktor bei der Bemessung der Minderung, weil gerade diese bei dem Mieter ständige Unsicherheit und Unwillen bei der Nutzung der Mietsache hervorruft, was den Gebrauch in weit größerem Maße beeinträchtigen kann als die tatsächliche Gesundheitsgefährdung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, wobei zu beachten war, dass der Beklagte nur mit seiner Hilfsaufrechnung obsiegt hat. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergeht analog § 708 Nr. 10 ZPO. Von der Anordnung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO wird gemäß § 713 ZPO abgesehen, weil die Voraussetzungen, unter denen gegen das Urteil ein Rechtsmittel stattfindet, nicht vorliegen. Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür gemäß § 543 ZPO nicht gegeben sind.
Unterschriften
Muratori, Dr. Katz, Hartmann
Fundstellen
Haufe-Index 1099633 |
IWR 2003, 65 |