Entscheidungsstichwort (Thema)
Wartefrist für ein Mieterhöhungsverlangen nach Neuvermietung einer preisgebundenen Wohnung im Beitrittsgebiet
Leitsatz (amtlich)
Die Wartefrist von einem Jahr nach MHG § 2 (juris: MietHöReglG) gilt nicht bei Neuvermietung während der Preisbindung in den neuen Ländern.
Gründe
(Aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie hat gemäß den §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 MHG einen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Ihr Mieterhöhungsverlangen unter dem 19. 6. 1995 ist insbesondere nicht deshalb unwirksam, weil zwischen der Neuvermietung der Wohnung an die Beklagten zum 16. 9. 1994 und dem Wirksamwerden der Mieterhöhung zum 1. 8. 1995 ein Zeitraum von weniger als einem Jahr lag. Die im Rahmen des zwischen den Parteien abgeschlossenen Neuvertrages vereinbarte Miete löste die Jahressperrfrist des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 MHG nicht aus, da sie unter der Preisbindung nach der 1. und 2. Grundmietenverordnung erfolgt ist und die Parteien bei Abschluß die preisrechtlich bestimmte Miete unverändert zugrunde gelegt haben und auch zugrunde legen mußten. Der im vorliegenden Falle ohne Änderung des Mietpreises geschlossene Neuvertrag stellt insoweit keine rechtlich relevante Zäsur dar. Nach Ansicht der Kammer ist daher hier der für den Fristbeginn maßgebliche Ausgangsmietzins im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 1 MHG der bezogen auf die Wohnung letztmals erhöhte Mietzins. Außer Betracht bleiben dabei gemäß § 12 Abs. 4 S. 2 MHG Erhöhungen nach den Grundmietenverordnungen sowie nach Modernisierung und Instandsetzung.
Dem stehen der Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 MHG sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung nicht entgegen. Zweck des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 MHG ist die Gewährleistung einer gewissen Kontinuität der Mietzinsentwicklung sowie der Schutz des Mieters vor allzu rasch aufeinanderfolgenden Mietzinserhöhungen. Die - zu Wohnungen im alten Bundesgebiet ergangene - Rechtsprechung zu § 2 MHG stellt dementsprechend auf das jeweils konkrete Mietverhältnis ab, d. h. bei einer Neuvermietung läuft die Wartefrist ab Mietvertragsabschluß neu.
Diese Rechtsprechung läßt sich auf die hier vorliegende Fallkonstellation eines Neuvertrages über sogenannte Altwohnungen im Beitrittsgebiet nicht übertragen. Zwar ist nach § 11 Abs. 2 MHG die Vorschrift des § 2 MHG uneingeschränkt anwendbar, sofern sich aus den §§ 12 bis 17 MHG nicht anderes ergibt. Allerdings läßt schon der Wortlaut des § 2 MHG Spielraum für verschiedene Auslegungsvarianten, so daß schon von daher die bisherige Rechtsprechung zu § 2 MHG nicht zwingend auf die §§ 11ff. MHG übertragen werden muß. Vor allem aber bezieht sich die genannte Auslegung d. Rspr. auf einen Neuabschluß im Rahmen der Preisfreiheit. Bei freier Vereinbarung des Mietzinses kann der Vermieter bei Neuabschluß eines Vertrages die Miete auf ein für ihn angemessenes wirtschaftliches Niveau anheben. Er unterliegt dabei nur den Begrenzungen der §§ 5 WiStG, 134, 138 BGB. Vor diesem Hintergrund ist es für den Vermieter zumutbar, mit der nächsten Mieterhöhung ein Jahr lang abzuwarten. Eine freie Vereinbarung des Mietpreises war für den Vermieter im Beitrittsgebiet vor Wegfall der Preisbindung zum 11. 6. 1995 hingegen nicht gegeben, da er auch bei Abschluß eines neuen Mietvertrages die Preisbindungsmiete gemäß den §§ 1 Abs. 3 1. GrundMV und 5 2. GrundMV nicht überschreiten durfte. Dem Vermieter war es somit verwehrt, die Geltung der einjährigen Wartefrist durch einen (höheren) Mietvertragsabschluß zu kompensieren. Auch auf der Seite des Mieters ergibt sich bei der vorliegenden Fallkonstellation kein zwingendes Interesse, nach Abschluß des Vertrages für ein Jahr vor Mieterhöhungen geschützt zu werden. Der Neumieter von Wohnraum in den neuen Bundesländern genoß unter der Geltung der Grundmietenverordnungen in zeitlicher Hinsicht keinen Bestandsschutz, der durch eine extensive Anwendung des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 MHG zu sichern wäre. Ein entsprechender Vertrauenstatbestand bestand nicht. Zum einen galt § 2 MHG, also auch der Schutz durch die Wartefrist gemäß Abs. 1 Nr. 1, bei Abschluß des Vertrages noch gar nicht. Zum anderen war der Schutz des Mieters ebenso wie derjenige des in einem älteren Vertragsverhältnis stehenden Mieters allein durch die gesetzlich festgelegte Höchstmiete gewährleistet. Innerhalb des preisrechtlichen Rahmens konnte der Vermieter die zulässige Höchstmiete durch rechtsgestaltende Erklärung gegenüber dem Mieter ausschöpfen, ohne dabei an Sperrfristen gebunden zu sein. Dies war auch dann möglich, wenn unmittelbar zuvor ein neuer Vertrag mit einem niedrigeren Mietzins geschlossen worden war.
Die Regelung des § 12 Abs. 4 S. 2 MHG bestätigt die hier vertretene Auffassung, daß für die Ermittlung der Sperrfrist in Fällen der Neuvermietung vor Wegfall der Preisbindung im Beitrittsgebiet auf die letztmals veränderte wohnungsbezogene Miete abzustellen ist. Danach soll der Vermieter über den 11. 6. ...