Entscheidungsstichwort (Thema)
Mieterhöhungsverlangen vor Ablauf der Mietpreisbindung in Berlin. Berufungssumme im Zustimmungsprozeß
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM)
1. Das Zustimmungsverlangen zur Mieterhöhung, die nach Ablauf der Preisbindung für Altbauwohnraum in Berlin fällig sein soll, ist nicht unwirksam, allein weil es dem Mieter noch vor Ablauf der Dauer der Preisbindung zugeht.
2. Die Beschwer im Zustimmungsprozeß zur Mieterhöhung bemißt sich am dreifachen Jahresbetrag der geforderten Mieterhöhung.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Berufung des Beklagten ist statthaft. Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß bei einem Mieterhöhungsverlangen gemäß § 2 MHG für den Rechtsmittelwert - anders als für den Gebührenstreitwert - auf den dreifachen Jahresbetrag des Mieterhöhungsbetrages abzustellen ist. Zuletzt hat die Klägerin eine Erhöhung der Miete um monatlich 66,81 DM gefordert, so daß danach der Berufungswert i.S.d. § 511a Abs. 1 ZPO überschritten war. Die Frage der Divergenz zwischen der angefochtenen Entscheidung und der obergerichtlichen bzw. höchstrichterlichen Rechtsprechung kann somit dahinstehen.
Die Berufung ..... hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Beklagte ist gemäß § 2 MHG verpflichtet, seine Zustimmung zu der von der Klägerin geforderten Erhöhung der Bruttokaltmiete zu erteilen.
Das entsprechende Mieterhöhungsverlangen v. 12.10.1994 ist - mit der Maßgabe, daß die Klägerin zuletzt eine Erhöhung der Bruttokaltmiete von monatlich 535,07 DM auf 601,88 DM begehrt hat - wirksam. Die Klägerin war entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten bei ihrem Erhöhungsverlangen ungeachtet seines Zugangs vor dem 1.1.1995 nicht (mehr) an die 5%ige Kappungsgrenze des zum 31.12.1994 außer Kraft getretenen Gesetzes zur dauerhaften sozialen Verbesserung der Wohnungssituation im Land Berlin (GVW) gebunden, da die Mieterhöhung vorliegend erst zum 1.1.1995, das heißt nach Außerkrafttreten des GVW, fällig werden sollte. Auf diese Fallkonstellation ist die ständige Rechtsprechung zur sogenannten "Vorauswirkung" von Mieterhöhungsverlangen analog heranzuziehen, wonach der Vermieter einer noch preisgebundenen Wohnung berechtigt ist, schon vor dem Ablauf der Preisbindung vom Mieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung zu verlangen, die erst nach Ablauf der Preisbindung Wirksamkeit erlangen soll (grundlegend zur "Vorauswirkung": OLG Hamm NJW 1981, 234 (= WM 1980, 262); KG NJW 1982, 2077 (= WM 1982, 102); ausdrücklich zum Übergang vom GVW zum MHG: Beuermann, Miete und Mieterhöhung bei preisfreiem Wohnraum, S. 265).
Nach dem GVW Berlin war zwar grundsätzlich bereits das MHG anwendbar; jedoch regelte das GVW eine Reihe von Beschränkungen preisrechtlicher Art, insbesondere die niedrigere Kappungsgrenze von 5% (§ 2 GVW), so daß der Einwand des Beklagten, die durch das GVW modifizierte Kappungsgrenze stelle weder inhaltlich noch technisch eine Preisbindung dar, nicht überzeugt. Auch der Übergang von der Geltung des GVW zur unbeschränkten Anwendbarkeit des MHG stellt einen Fall der auslaufenden Preisbindung dar, bei der es dem Vermieter nicht verwehrt werden darf, die Zustimmung zu einer Mieterhöhung so rechtzeitig zu verlangen, daß die Mieterhöhung im Augenblick des Wegfalls der Preisbindung auch tatsächlich fällig wird. Nur so wird das systemwidrige Ergebnis vermieten, die Parteien eines Mietvertrages noch eine gewisse Zeit nach Ablauf der Preisbindung an die außer Kraft getretenen Mietpreisbeschränkungen zu binden.
Dem steht schließlich auch der vom Beklagten zitierte RE des BGH v. 16.6.1993 (WM 1993, 388) nicht entgegen. Denn dort nimmt der BGH ausschließlich zur Berechnung der Wartefrist i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 MHG Stellung, nicht jedoch zur Frage, ob bei Auslaufen der Preisbindung nach dem GVW eine Mieterhöhung bereits zu einem Zeitpunkt zugehen kann, zu dem die Preisbindung noch besteht. Daß der BGH den Zugang des Mieterhöhungsverlangens vor Ablauf der Wartefrist i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 MHG für unwirksam erachtet, das heißt für die Frage der Wirksamkeit auf den Zugang und nicht auf die Fälligkeit der Mieterhöhung abstellt, hat mangels Vergleichbarkeit der Rechtsfragen keine Relevanz für den vorliegenden Fall.
Vielmehr war die Klägerin - wie das AG Tempelhof-Kreuzberg vollkommen zutreffend ausgeführt hat - vorliegend berechtigt, nach Maßgabe der ortsüblichen Vergleichsmiete eine Mieterhöhung dem Umfange nach bis zur Kappungsgrenze des § 2 Abs. 1 Nr. 3 MHG zu verlangen, obgleich das Erhöhungsverlangen dem Mieter zu einem Zeitpunkt zuging (1994), zu dem die Anwendbarkeit dieser Kappungsgrenze durch § 2 GVW noch ausgeschlossen war.
Fundstellen