Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 23.10.2012; Aktenzeichen 72 C 97/12 WEG)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das am 23.10.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg – 72 C 97/12 WEG – abgeändert:

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 14. Mai 2012 unter TOP 7 (Entlastung des Verwalters im Jahre 2011) wird für ungültig erklärt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung der Kläger ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Soweit die Kläger zuletzt beantragt haben, den Eigentümerbeschluss vom 14.06.2012 zu TOP 7 nicht nur teilweise, sondern insgesamt für ungültig zu erklären, handelt es sich um eine gemäß § 533 ZPO zulässige Klageerweiterung, da sie der Streitbeilegung dient und auf die gemäß § 529 ZPO der Entscheidung ohnehin zugrunde zu legende Tatsachen gestützt werden kann.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 14.05.2012 zu TOP 7 ist für ungültig zu erklären, da er den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG) widerspricht.

Voranzuschicken ist, dass die Kläger den vorgenannten Eigentümerbeschluss rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG angefochten haben. Das Datum der Zustellung der Klageschrift am 10.07.2012 wirkt gemäß § 167 ZPO auf den Eingang bei Gericht am 14.06.2012 zurück, da die Kläger den unter dem 19.06.2012 angeforderten Gerichtskostenvorschuss am 27.06.2012 und damit unverzüglich eingezahlt haben. hat. Die Begründungsfrist von zwei Monaten (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG) wurde ebenfalls gewahrt, da die am 14.06.2012 eingegangene Klageschrift bereits die Begründung enthält.

Der angefochtene Eigentümerbeschluss, mit dem der Verwalterin für ihr gesamtes Handeln im Jahre 2011 Entlastung erteilt wurde, ist mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung nicht vereinbar.

Die Entlastung stellt eine Möglichkeit für die Wohnungseigentümer dar, dem Verwalter ihr Vertrauen auszusprechen und die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen. Aus diesem Grunde widerspricht ein Beschluss über die Entlastung erst dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen. Ist dies der Fall, ist eine Entlastung nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten (vgl. BGH NZM 2003, 764, nach juris).

In Anwendung dieser Grundsätze steht einer Entlastung der Verwalterin vorliegend entgegen, dass Ansprüche gegen sie in Betracht kommen, die ihr Handeln bezüglich der Terrasse des Wohnungseigentums der Kläger betreffen. Zwar ist den Beklagten darin beizupflichten, dass alle Handlungen der Verwalterin, welche von ihrer im Jahre 2010 durchgeführten und abgerechneten Bauaufsicht erfasst werden, einer Entlastung für das Folgejahr 2011 nicht im Wege stehen können. Jedoch haben sich die Kläger im Jahr 2011, d. h. mit ihren Schreiben vom 24.05.2011 und 07.07.2011, an die Verwalterin gewandt und beanstandet, dass im Zuge der Bauarbeiten die Anschlusshöhe der Terrasse zur Tür angehoben worden sei, so dass die Terrasse nunmehr mit der Tür abschließe. Die Kläger haben sowohl den Rückbau der Terrasse als auch die Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zu diesem Thema verlangt. Die Verwalterin hat eine entsprechende Eigentümerversammlung nicht einberufen und ist auch ansonsten, soweit vorgetragen und ersichtlich, im Hinblick auf den gerügten Mangel untätig geblieben. Aus dieser Untätigkeit können sich Ersatzansprüche gegen die Verwalterin ergeben.

Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist der Verwalter verpflichtet, die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ausweislich der Fotografien im – von den Klägern zu den Akten gereichten, im Rechtsstreit 72 C 187/12 WEG eingeholten – Gutachten des Sachverständigen nnnnnnnn vom 26.09.2013 befindet sich der Plattenbelag der Terrasse der klägerischen Wohnung auf beinahe derselben Höhe wie das Anschlussprofil vor der Tür. Schon vom äußeren Anschein her erscheint dies bedenklich, da das auf die Terrasse treffende Regenwasser im Falle starken Regens schnell in die Wohnung der Kläger eindringen und letztlich Sondereigentum wie Gemeinschaftseigentum (z. B. die Fassade) beschädigen könnte. Das Foto auf Seite 6 des Gutachtens zeigt einen bereits durchgefaulten Holzpfosten, wobei der Sachverständige das Fehlen eines Spritzwasserschutzes beanstandet. Angesichts dieses Bauzustands hätte Veranlassung für die Verwalterin bestanden, in Erfüllung ihrer Pflichten nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG auf die Schreiben der Kläger einzugehen, den sachverständigen Rat eines ...

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