Verfahrensgang

AG Berlin-Neukölln (Urteil vom 22.12.2020; Aktenzeichen 8 C 157/20)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 22.12.2020, – 8 C 157/20 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 88 % und die Klägerin zu 12 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht die vom Amtsgericht zuerkannten Auskunftsansprüche, §§ 556g Abs. 3, 556d, 398 BGB in Verbindung mit der MietBegrV Berlin vom 28. April 2015; den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete für den Monat September 2019 hat das Amtsgericht ebenfalls zu Recht bejaht, §§ 556g Abs. 1, 556d Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 398 BGB in Verbindung mit der MietBegrV Berlin vom 28. April 2015.

a) Die Anwendung der §§ 556d ff. BGB ist nicht nach § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.

Nach dieser Regelung gelten (unter anderem) die Vorschriften über die Miethöhe bei Mietbeginn auf angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d bis 556g) nicht für die Mietverhältnisse über Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist.

Ein solches Mietverhältnis hat das Amtsgericht hier zu Recht nicht angenommen.

Für die Bewertung, ob es sich um eine Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch im Sinne von § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB handelt, ist neben dem zeitlichen Moment der vereinbarte Vertragszweck maßgeblich (vgl. Staudinger/Artz, [2021] BGB § 549 Rn. 22; BeckOGK/H. Schmidt, 01.07.2021 BGB, § 549 Rn. 16; Hinz in Klein-Blenkers/Heinemann/Ring, Miete/WEG/Nachbarschaft, § 549 Rn. 16; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 549 Rn. 5; LG Berlin [ZK 65], Urt. v. 18.12.2019 – 65 S 101/19, WuM 2020, 163, nach juris Rn. 7; [ZK 66], Urt. v. 05.06.220 – 66 S 68/18, ZMR 2020, 836). Der bloße Wunsch des Vermieters, ein Mietverhältnis kurz zu begrenzen, kann nur in den Grenzen des § 575 BGB verwirklicht werden (Staudinger/Artz, [2021] BGB § 549 Rn. 22).

Eine Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch liegt nach einhelliger Ansicht typischerweise bei Hotelzimmern, Ferienwohnungen oder Ferienhäusern vor, die (vorübergehend, für kurze Zeit) zu Urlaubszwecken gemietet werden (BeckOGK/H. Schmidt, 01.07.2021 BGB, § 549 Rn. 16.1; Staudinger/Artz, [2021] BGB § 549 Rn. 23; Hinz in Klein-Blenkers/Heinemann/Ring, Miete/WEG/Nachbarschaft, § 549 Rn. 16; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 549 Rn. 5; MüKoBGB/Bieber, 8. Aufl. 2020, § 549 Rn 18).

Dem entspricht die Vorstellung des Gesetzgebers, der im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 unter Hinweis auf die insoweit unveränderten Vorgängerregelungen in § 564b Abs. 7 Nr 1 BGB und § 10 Abs. 3 Nr. MHG Wohnungen zur Erholung und Freizeitnutzung (z. B. Ferienwohnungen) als Anwendungsfälle der Vorschrift definierte. Bei langfristig vermieteten Zweit- und Ferienwohnungen kommt es (bereits) auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 46).

Die in § 549 Abs. 2 und 3 BGB genannten Mietverhältnisse werden vom Schutz des sozialen Mietrechts ausgenommen, weil es in den Vertragskonstellationen an dem die Mieterschutzvorschriften rechtfertigenden besonderen Schutzbedürfnis des Wohnraummieters fehlt, weil die angemieteten Wohnräume nicht seinen räumlichem Lebensmittelpunkt bilden und – nach der dem Vermieter bekannten Zwecksetzung des Mieters – auch nicht bilden sollen (vgl. Wertungen BVerfG, Beschl. v. 26.05.1993 – 1 BvR 208/93, nach juris Rn. 29ff.; BeckOGK/H. Schmidt, 01.07.2021 BGB, § 549 Rn. 15; Staudinger/Artz, [2021] BGB § 549 Rn. 22).

Maßgeblich ist damit nicht nur die kurzzeitige Überlassung, es muss auch eine besondere Zwecksetzung des Gebrauchs gegeben sein, bei der nicht das Wohnen in dem Sinne von „zu Hause sein” oder der Begründung einer „Heimstatt im Alltag” im Vordergrund steht. Mit dieser Wendung ist nicht nur eine dauernde „Unterkunft” gemeint, sondern die Wahl einer Wohnstatt, die Ausgangspunkt für die Begründung persönlicher Bindungen, sozialer Beziehungen, der beruflichen und privaten Lebensführung – und damit eben der räumliche Lebensmittelpunkt – sein soll (BeckOGK/H. Schmidt, 01.07.2021 BGB, § 549 Rn. 16).

Hier wollten die Mieter ihren ausschließlichen Lebensmittelpunkt in der Wohnung begründen, um in der Stadt zu leben und zu arbeiten; dieser Zweck bildete die Grundlage des Vertrages. Welcher nur vorübergehende Zweck stattdessen von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzt worden sein soll, lässt sich weder dem Vertrag noch dem Vortrag des Beklagten entnehmen. Die „ausländische Verwurzelung” der Mieter allein ist ersichtlich kein Indiz für die Unterstellung der Absicht...

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