Verfahrensgang

AG Berlin-Köpenick (Urteil vom 19.04.2006; Aktenzeichen 6 C 183/05)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 28.03.2007; Aktenzeichen 5 StR 100/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. April 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köpenick – 6 C 183/05 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

 

Tatbestand

I. Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Mangelbeseitigung an den Fenstern (Lärmschutz) aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Klägerin bewohnt seit 1951 die Wohnung in der …, drittes Obergeschoss rechts, …. Unstreitig ist inzwischen die Beklagte Vermieterin, die im Jahre 2002 im Hause Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt hat. Dabei sind u.a. die vorher im Jahr 1992 eingesetzten Fenster durch neue Isolierglasfenster ersetzt worden.

Dabei ist mit der Berufung zunächst davon auszugehen, dass ein Mangel der Mietsache hier dann vorliegen würde, wenn einerseits die derzeit für den Schallschutz von Fenstern geltenden technischen Normen nicht eingehalten und andererseits dies sich auch in der Wohnung der Beklagten auswirken würde.

Die Kammer nimmt Bezug auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06. Oktober 2004 (GE 2004, 1586f.), in der es heißt:

“…

Wenn der Vermieter jedoch selbst bauliche Veränderungen vornimmt, die zu Lärmemissionen führen können, kann der Mieter erwarten, dass Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen genügen.

…”

Daraus zieht die Kammer den Schluss, dass der Vermieter die aktuell geltenden technischen Normen auch dann einzuhalten hat, wenn er Modernisierungsmaßnahmen für die Wohnung ankündigt und in der betreffenden Modernisierungsvereinbarung Verbesserungen des Schallschutzes in Aussicht stellt, ohne sich dabei vorzubehalten, dass die Verbesserung möglicherweise nicht bis an die jetzt geltenden technischen Vorschriften heranreichen würde. Die Klägerin konnte die Ankündigung und die Vereinbarung hier nur so verstehen, dass die aktuellen Vorschriften berücksichtigt und zugrunde gelegt werden würden.

Nach dem auf Anforderung des Amtsgerichts vom Sachverständigen … erstatteten Gutachten vom 15. Februar 2006 ist zunächst davon auszugehen, dass die DIN 4109/U4 nicht eingehalten ist. Danach war im konkreten Fall hier ein erforderliches Schalldämmmaß von R(w, Fenster) = 38 dB gegeben. Der Gutachter hat durch Messungen jedoch nur ein bewertetes Bau-Schalldämmmaß von R'(45°, w) = 37 dB ermittelt. Die Vorgabe der DIN wird um 1 dB verfehlt.

Dieser Fehler des Fensters wirkt sich in der Wohnung der Klägerin indes nicht aus. Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme für die Kammer vom 17. Juli 2006 und in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2006 zur Überzeugung der Kammer ausgeführt, dass die beim hiesigen Fenstern messtechnisch sich ergebende Abweichung von 1 dB nicht wahrnehmbar sei. Die Literatur zur Akustik gehe aufgrund der allgemeinen Erkenntnisse des Weber-Fechnerschen Gesetzes über die Grenze der Wahrnehmbarkeit von Sinneseindrücken beim Menschen davon aus, dass die Abweichung von 1 dB nur wahrnehmbar ist, wenn die beiden unterschiedlich lauten Signale unmittelbar aufeinander folgen (so genannter Paarvergleich). Das Weber-Fechner-Gesetz besagt, dass die Stärke von Sinneseindrücken logarithmisch zur Intensität des physikalischen Reizes erfolgt. Das heißt, dass eine Veränderung des Sinneseindrucks erst entsteht, wenn die Abweichung ein bestimmtes Verhältnis des vorherigen Sinneseindrucks übersteigt. Liegt dagegen – wie etwa beim Wechsel eines Fensters – eine gewisse Zeitspanne zwischen den verschieden lauten Signalen, so ist der Unterschied nicht mehr erkennbar. Zusätzlich ist dabei auch zu berücksichtigen, dass der Lautheitseindruck auch durch den ständig wechselnden Charakter der Lärmemissionen beeinflusst wird.

Im Übrigen ist aufgrund der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 17. Juli 2006 auch zu berücksichtigen, dass die DIN 4109/U4 den so genannten Spektrum-Anpassungswert C(tr) nicht einbezieht. Dieser Wert berücksichtigt die konkrete Verkehrslärmsituation und die spezifischen Eigenschaften des verbauten Fensters. Der Gutachter hat festgestellt, dass sich die geringe Abweichung von 1 dB, die sich noch aus dem vor dem Amtsgericht erstatteten Gutachten ergab, wegen der guten Eigenschaften des Fensters bei der “Streuung von Verkehrslärm” vollständig wieder ausgleiche.

Es kann dabei dahinstehen, dass die Berechnungen des Sachverständigen wohl insgesamt schon von einem zu hohen Verkehrslärm ausgehe...

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