Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 13.10.1989; Aktenzeichen 12 C 449/89)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Oktober 1989 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 13 C 449/89 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung war zurückzuweisen, weil das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat, daß dem Kläger kein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 1 Nr. 1, § 2 Nr. 1 a ARB zusteht. Denn die Beklagte kann sich mit Recht darauf berufen, sie brauche wegen Vorvertraglichkeit (§ 14 Abs. 3 ARB) keinen Rechtsschutz zu gewähren.

1. Allerdings ist zu bedenken, daß die krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht Gegenstand der Prüfung eines Verstoßes des Kläger gegen Rechtspflichten sein können, weil solche Fehlzeiten zwar arbeitsrechtlich eine Kündigung begründen können, gleichwohl jedoch keine Verstöße gegen Rechtspflichten sind. Ein Verstoß läge vielmehr nur dann vor, wenn der Betreffende sich zu Unrecht krankschreiben läßt, wenn er also „krank feiert”. Daß der Kläger dies in den Fällen der von ihm so bezeichneten Lohnfortzahlung getan hätte, hat aber der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozeß nicht behauptet, sondern er hat insoweit lediglich mit der betrieblichen Unzumutbarkeit eines Arbeitnehmers argumentiert, der so häufig krank ist, wie es im Falle des Klägers gegeben war. Lediglich mit dem Hinweis auf eine „besondere gesundheitliche Anfälligkeit” hat der Arbeitgeber in seiner Klageerwiderung im Arbeitsgerichtsprozeß möglicherweise anklingen lassen wollen, daß er die Seriosität der Krankschreibungen anzweifele, er hat gleichwohl die Kündigung in tatsächlicher Hinsicht nicht mit unberechtigten Krankschreibungen begründet.

Demgemäß müssen diese Krankheitszeiten auch im Sinne von § 14 Abs. 3 ARB außer Betracht bleiben.

2. Jedoch … ergibt sich die Vorvertraglichkeit aus einem anderen Grunde: Die Kündigung ist nicht nur auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten gestützt, sondern zugleich auch auf die zahlreichen anderweitigen Abwesenheitszeiten des Klägers am Arbeitsplatz (disziplinarische Mängel). Insofern erfolgte auch im Jahre 1987 am 27. April 1987, die schriftliche Abmahnung des Klägers wegen vorzeitigen Verlassens des Arbeitsplatzes.

Solche Fehlzeiten sind nun in der Tat (behauptete) Verstöße gegen Rechtsvorschriften im Sinne von § 14 Abs. 3 ARB. Da sie nach dem gesamten Inhalt der arbeitsgerichtlichen Prozeßakten ersichtlich mitursächlich für die Kündigung und den anschließenden Kündigungsschutzprozeß gewesen sind, ist auch im Sinne von § 14 Abs. 3 ARB zu prüfen, ob es sich um Verstöße handelt, die in den Vertragszeitraum fallen, oder ob in Bezug auf sie Vorvertraglichkeit in Betracht kommt. Denn die Mitursächlichkeit einer vom Versicherungsschutz ausgeschlossenen Kausalkette reicht aus, um den Versicherungsschutz für den Versicherungsfall insgesamt zu verneinen. Das ergibt sich aus dem allgemein geltenden Grundsatz, daß Versicherungsschutz nicht besteht, wenn beim Schadenseintritt eine versicherte Gefahr und eine vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Gefahr gleichermaßen mitgewirkt haben (vgl. Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 24. Aufl, § 51 VVG Anm. 5).

Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ergibt sich nun:

Bei den nicht krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers handelt es sich um Dauerverstöße … die über einen längeren Zeitraum hinweg auf getreten sind. Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 ARB ist bei mehreren Verstößen der erste adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich (wobei tatsächliche oder behauptete Verstöße, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsvertrages für das betroffene Wagnis zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben).

Der erste adäquat ursächliche Verstoß innerhalb einer Kette von Dauerverstößen ist allerdings nicht zwangsläufig der allererste Verstoß überhaupt. Das gilt gerade in Dauerschuldverhältnissen wie dem Arbeitsverhältnis. Dort kann es, ähnlich wie bei der Wohnraummiete, immer wieder zu Störungen kommen, von denen jede einzelne für sich genommen nicht ausgereicht hätte, um den später auf getretenen Konflikt auszulösen, wohl aber eine Gesamtschau dieser Verstöße. Auch dann, wenn man eine solche Gesamtschau anstellt, ist bei lebensnaher Betrachtung zu berücksichtigen, daß nach § 14 Abs. 3 Satz 2 ARB immer danach zu fragen ist, welcher Verstoß als erster adäquat ursächlicher anzusehen ist.

Im vorliegenden Fall ist der erste adäquat ursächliche Verstoß in diesem Sinne der Lebenssachverhalt, der Gegenstand der Abmahnung vom 27. April 1987 gewesen war. Die vorangegangenen Verstöße haben demgegenüber keine selbständige Bedeutung.

Sie sind vielmehr lediglich unselbständige Grundlage für die erfolgte Abmahnung in dem Sinne, daß diese nicht erfolgt wäre, wenn nicht diese – für sich selbst genommen jeweils unbedeutsamen – Verstöße gegen die Arbeitsdisziplin auf getreten gewesen wären.

Der erste adäqua...

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