Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsinteresse: Unbezifferte Kostenfeststellungsklage bei Klageerledigung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Feststellungsinteresse für eine unbezifferte Kostenfeststellungsklage bei "Erledigung" zwischen Einreichung und Zustellung der Klage ist auch nach der Zivilprozeßreform nicht entfallen.

 

Tenor

1. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Mit der am 10.6.2003 eingegangenen Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Räumung von Gewerberäumen im Hause ..., ... Berlin in Anspruch genommen, die der Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Jahre 1997 für zehn Jahre gemietet hatte. Die Klägerin hatte das Mietverhältnis wegen eines mit fast 94000 Euro bezifferten Mietrückstandes unter dem 16.5.03 fristlos gekündigt, nachdem der Beklagte entgegen der Vereinbarung vom 7.8.01 zwischen den Parteien weder die per Juli 01 mit 124500 DM bestehenden Mietrückstände mit den vorgesehenen Raten (vollständig) getilgt noch die ab August 01 mit monatlich 10747,40 DM vereinbarte laufende Miete geleistet hatte. Noch vor Zustellung der Klage gab der Beklagte am 15.8.03 die streitgegenständlichen Räume zurück.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die mit der Klageeinreichung verursachten Kosten der Rechtsverfolgung zu tragen.

Der Beklagte ist säumig geblieben.

 

Entscheidungsgründe

I. Die geänderte Klage ist zulässig.

Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 BGB erforderliche Feststellungsinteresse.

1) Soweit das Gericht diesbezüglich auf mögliche Bedenken hingewiesen hat, wird daran nach Überprüfung nicht festgehalten.

Die Kammer ist schon vor in Kraft treten der Zivilprozessreform zum 1.1.2002 in ständiger Praxis der Rechtsprechung des BGH gefolgt, wonach der Kläger bei Klaglosstellung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit mangels Erledigung im Rechtssinne die Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für die nutzlos aufgewendeten Kosten des Rechtsstreits umstellen kann (BGH NJW 1981, 990; 1994, 2895, 2896; ebenso bereits KG NJW 1991, 499,500). Hintergrund dieser in der dogmatischen Begründung nicht unumstrittenen (vgl. etwa Zöller/ZPO 22. Aufl. § 91 a Rdnr. 40; m.w.N.; Baumbach/Hartmann ZPO 60. Aufl. § 91 a Rdnr.37) Rechtsprechung waren Gründe der Prozessökonomie. Dem Kläger, der nach materiellem Recht einen Anspruch auf Erstattung der nutzlos aufgewendeten Prozesskosten hat, sollte nicht zugemutet werden, diese in einem neuen Klageverfahren geltend zu machen. Er sollte vielmehr die Möglichkeit haben, sich von der Kostenlast für das für ihn mangels (zunächst) freiwilliger Erfüllung seines ursprünglich verfolgten Anspruchs quasi unverschuldet anhängig gemachte Verfahren schon in diesem Verfahren zu befreien (BGH NJW 1981, 990; KG a.a.O.). Die Möglichkeit des unbezifferten Kostenfeststellungsantrages trug dabei den Schwierigkeiten Rechnung, denen der Kläger bei einer Bezifferung des (vollständigen) entstandenen Schadens wegen der Unsicherheiten der Streitwerthöhe, den das Gericht nach freiem Ermessen gemäß § 3 ZPO festzusetzen hat, und der mit der Klageumstellung regelmäßig verbundenen teilweisen Klagerücknahme, die gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zur anteiligen prozessualen Kostenlast des Klägers führt, ausgesetzt ist (zutr. KG a.a.O.; vgl. in ähnlicher Richtung BGH NJW 1981, 990 unter II 3 der Urteilsgründe).

2) Das nach den vorstehenden Ausführungen gegebene Feststellungsinteresse für eine unbezifferte Kostenfeststellungsklage ist nicht durch die Einführung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001 (BGBL. I, 1887) entfallen.

a) Nach dieser Vorschrift muss der Kläger in Abweichung vom Regelfall des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht notwendig die Kosten des Rechtsstreits tragen, wenn er zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit klaglos gestellt wird, und daraufhin unverzüglich die Klage zurücknimmt. Vielmehr bestimmt sich dann die Kostentragungspflicht (ebenso wie bei übereinstimmender Erledigungserklärung, § 91a ZPO) unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Dieses Ermessen erlaubt es dem Gericht, das Bestehen eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs im Rahmen der prozessualen Kostenentscheidung zu berücksichtigen, d. h. trotz Klagerücknahme dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Damit ist indessen die bisherige Rechtsprechung zur Kostenfeststellungsklage keineswegs obsolet geworden. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift allerdings gerade Fälle erfasst und erfassen wollen, in denen der Kläger vor Rechtshängigkeit klaglos gestellt wird, obwohl der Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben hatte. Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten über das Bestehen eines bloßen Feststellungsinteresses wegen der Möglichkeit einer Bezifferung des Schadens einerseits und den oben bereits erwähnten Schwierigkeiten einer solchen Bezifferung des Schadens andererseits sollte vermieden werden, dass der Kläger die Klag...

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