Verfahrensgang

AG Bielefeld (Aktenzeichen 17 C 552/05)

 

Tenor

  • Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Juli 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.

    Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 183,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. April 2005 zu zahlen

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 78 % und die Beklagte zu 22 %.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte lediglich Anspruch auf Zahlung restlicher 183,66 € aus §§ 3 Nr. 1 PflVG, 7 StVG, 398 BGB.

1) Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 2006, 2621 m.w.N.), der sich die Kammer anschließt, kann die Klägerin aus abgetretenem Recht des Geschädigten nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwand nur den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen. Erforderlich sind diejenigen Mietwagenkosten, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem "Normaltarif" teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u. Ä.) einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind.

Inwieweit dies der Fall ist, hat die Kammer nach § 287 ZPO zu schätzen. Die Schätzung kann durch Vornahme eines pauschalen Aufschlags auf den Normaltarif erfolgen. Es ist nicht erforderlich, die Kalkulation der Klägerin nachzuvollziehen. Vielmehr hat sich die Prüfung darauf zu beschränken, inwieweit spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte bei Unternehmen dieser Art einen Mehrpreis rechtfertigen

2) Bei dem berechneten Tarif der Klägerin handelt es sich um einen Unfallersatztarif. Zwar verfügt die Klägerin nur über eine Preisliste. Es ist jedoch gerichtsbekannt, dass die dort verzeichneten Tarife lediglich im Unfallersatzgeschäft Anwendung finden und Fahrzeuge an Selbstzahler zu anderen, niedrigeren Tarifen vermietet werden. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des BGH vom 09. Mai 2006 (NJW 2006, 2106), wonach ein Autovermieter, der lediglich einen einheitlichen Tarif für alle potentiellen Mieter anbietet, diesen mit dem auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Normaltarif vergleichen lassen muss, ohne dass ein strukturell bedingter Aufschlag in Betracht kommt, ist daher nicht einschlägig.

3) Die Prüfung der Erforderlichkeit des streitgegenständlichen Tarifs der Klägerin ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin den Geschädigten bei Abschluss des Mietvertrages nicht hinreichend aufgeklärt hat. Der Haftpflichtversicherer des Schädigers hat dem Geschädigten nach § 249 II 1 BGB die objektiv erforderlichen Mietwagenkosten zu ersetzen. Hierzu ist der mit Rücksicht auf die Unfallsituation gerechtfertigte Preis zu ermitteln, der über dem Normaltarif liegen kann. Im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger kommt es vor diesem Hintergrund nicht darauf an, ob dem Geschädigten als Mieter eines Ersatzfahrzeugs möglicherweise gegen den Vermieter ein vertraglicher Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht zusteht, den er einer Forderung des Vermieters auf Zahlung des Mietzinses entgegenhalten könnte (BGH NJW 2005, 1043). Ein solcher Schadensersatzanspruch, den der BGH im Verhältnis der Mietvertragsparteien mittlerweile in der Tat ausdrücklich bejaht hat (NJW 2006, 2618), ändert nichts an der Verpflichtung des Schädigers, die objektiv erforderlichen Mietwagenkosten zu erstatten.

4) Den Normaltarif hat die Kammer auf der Grundlage des von der Be...

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