Leitsatz (amtlich)
Für die Gewährung des Haftzuschlags nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG kommt es nicht darauf an, ob der Mandant in dem Verfahren inhaftiert ist, in dem der Rechtsanwalt tätig wird.
Verfahrensgang
AG Bochum (Entscheidung vom 05.01.2009) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verteidigers des ehemaligen Angeklagten vom 24.02.2009 wird der Beschluss des AG Bochum vom 05.01.2009, mit dem die Gewährung eines Haftzuschlages abgelehnt worden war, aufgehoben.
Dem Verteidiger ist der ursprünglich geltend gemachte Haftzuschlag in Höhe von 184,37 Euro zu gewähren. Das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde wird zugelassen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Rechtsanwalt S. war dem Verurteilten in drei vor dem Hauptverhandlungstermin verbundenen Sachen als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Der Verurteilte befand sich in anderer Sache - auch während der Hauptverhandlung - in der JVA Bochum.
Mit Anträgen vom 11.09.2008 machte der Verteidiger nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens Gebühren in Höhe von jeweils 218,58 Euro für die beiden hinzu verbundenen Verfahren und in Höhe von 668,19 Euro im führenden Verfahren geltend, wobei er die geltend gemachten Gebühren, Verfahrens- und Terminsgebühren, jeweils mit einem sogenannten Haftzuschlag berechnete.
Im Kostenfestsetzungsbeschuss vom 25.11.2008 setzte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen unter Absetzung des sogenannten Haftzuschlages mit insgesamt 916,90 Euro fest. Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts Schenkel vom 01.12.2008 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Bochum vom 25.11.2008 wurde durch den jetzt angefochtenen Beschluss des AG Bochum vom 05.01.2009 zurückgewiesen. In seiner Begründung hat das Amtsgericht Bochum in diesem Beschluss vom 05.01.2009 wie folgt ausgeführt:
"Dem Verteidiger stehen die geltend gemachten Haftzuschläge nicht zu. Zwar befand sich der Verurteilte während des hiesigen Verfahrens in Strafhaft. Auch soll und sollte mit dem Haftzuschlag der Mehraufwand vergütet werden, der durch die erschwerten Bedingungen der Verteidigung eines nicht auf freiem Fuß befindlichen Mandanten entsteht. Hierfür macht es in tatsächlicher Hinsicht auch keinen Unterschied, auf welches Verfahren die Inhaftierung zurückgeht. Allerdings hat das OLG Hamm mit Beschluss vom 06.06.2005 (Az. 2 (s) Sbd. Vlll 110105) entschieden, dass der Zuschlag nur in demjenigen Verfahren geltend gemacht werden kann, in dem der Vollzug erfolgt. Solange diese Entscheidung Bestand hat, sieht sich die Rechtspflegerin zu Recht aus Gründen der Gleichbehandlung und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung hieran gebunden."
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verteidigers Rechtsanwalt S. vom 24.02.2009.
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass das AG Bochum mit Beschluss vom 29.04.2009 gemäß § 33 Abs. 3 S. 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Beschwerde gegen den oben aufgeführten Beschluss des AG Bochum zugelassen hat, obwohl der Beschwerdewert von 200,- Euro nicht erreicht worden war und dass der zunächst zuständige Einzelrichter das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung auf die Kammer übertragen hat.
Nach Ansicht der Kammer steht dem Verteidiger des Verurteilten der von ihm ursprünglich geltend gemachte Haftzuschlag in Höhe von insgesamt 184,37 Euro zu. Feststeht dass der Verurteilte während seiner Verteidigung durch den ehemaligen Verteidiger Rechtsanwalt S. inhaftiert war. Anders als das OLG Hamm in der oben zitierten Entscheidung ist die Kammer der Auffassung, dass es vorliegend nicht darauf ankommt, dass ein Verteidiger den Mandanten in der Sache vertreten muss, in der er auch inhaftiert ist. Vielmehr ist nach Ansicht der Kammer entscheidend, dass der Mandant überhaupt inhaftiert ist und somit erschwerte Bedingungen für den Verteidiger was die Kontaktierung und das weitere Verteidigungsvorgehen angeht bestehen. Diesem Umstand soll der Haftzuschlag Rechnung tragen.
Durch die Gewährung des Haftzuschlages wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Inhaftierung oder Unterbringung des Mandanten für den Rechtsanwalt in jeden Fall zu einem Mehraufwand führt, zumindestens in Form eines erheblich größeren Zeitaufwandes, der in der Regel allein schon durch die erschwerte Kontaktaufnahme mit dem in einer Justizvollzugsanstalt (oder einer anderen Einrichtung), einsitzenden Mandanten entsteht (vgl. insoweit Entscheidung des Kammergerichts Berlin, 4. Strafsenat , vom 29.0.2006, Az. 4 Ws 76/06 mit vielen weiteren Nachweisen, JurBüro 2007, 643).
Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass die Nichtgewährung des Haftzuschlages im hier anstehenden Falle aus den oben dargelegten Gründen unbillig wäre.
Wegen der besonderen Bedeutung der hiesigen Entscheidung hat die Kammer entsprechend der Regelung des § 33 Abs. 3 S. 2 RVG die Beschwerde durch den Kostenbeamten bzw. den Bezirksrevisor ...