Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzelrichter. Terminsgebühr. aufgehobener Termin. Unbilligkeit

 

Leitsatz (amtlich)

In Beschwerdesachen gegen die Kostenfestsetzung nach § 464 b StPO besteht keine Einzelrichterzuständigkeit. Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG räumt dem Rechtsanwalt einen von dem Verhalten der sonstigen Prozessbeteiligten unabhängigen Anspruch ein.

Wird die Berufung des Angeklagten gegen ein Strafurteil kurz vor der anberaumten Berufungsverhandlung zurückgenommen, hat der bereits anwesende Nebenkläger-Vertreter einen Anspruch auf die Terminsgebühr, muss diese jedoch je nach Vorbereitungsaufwand angemessen reduzieren.

 

Normenkette

StPO § 464b; RVG § 14 Abs. 1; RVG VV Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Herne (Entscheidung vom 12.04.2012; Aktenzeichen 13 Ds 93/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Amtsgerichts Herne vom 12.04.2012 (13 Ds 630 Js 197/11 - 93/11) dahingehend abgeändert, dass die zu erstattenden Auslagen der Nebenklage um 96,39 Euro auf 822,53 Euro einschließlich Umsatzsteuer reduziert werden. Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen zu 70 %. Zu 30 % werden sie der Staatskasse auferlegt, wobei auch die Gerichtsgebühr um 30 % ermäßigt wird.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch das Amtsgericht Herne am 12.09.2011 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten zur Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil legte er am 15.09.2011 ein unbenanntes Rechtsmittel ein, welches nachfolgend als Berufung behandelt wurde. Nachdem einer der Geschädigten, der Zeuge T1, seinen Antrag auf Durchführung eines Adhäsionsverfahrens in der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung zunächst zurückgenommen hatte, erklärte er durch Schreiben von Rechtsanwalt U aus Haan, sich dem Berufungsverfahren als Nebenkläger anschließen zu wollen und ein Schmerzensgeld nach Ermessen des Gerichts, mindestens aber 750 Euro im Rahmen des Adhäsionsverfahrens zu erstreben. Mit Beschluss vom 17.01.2012 ließ das Landgericht Bochum den Geschädigten T1, vertreten durch Rechtsanwalt U als Nebenkläger zu. Eine Beiordnung des Nebenkläger-Vertreters erfolgte nicht, dies war auch nicht beantragt worden. Kurz vor Beginn der für den 02.02.2012 anberaumten Berufungsverhandlung wurde der Vorsitzenden Richterin der zuständigen 14. (kleinen) Strafkammer eine schriftliche Erklärung des Beschwerdeführers und seines Verteidigers überreicht, dass die gegen seine Verurteilung gerichtete Berufung zurückgenommen werde. Die Vorsitzende verfügte sodann die Aufhebung des Termins, ein Aufruf der Sache erfolgte nicht mehr. Der Vertreter des Nebenklägers war im Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung bereits angereist und im Verhandlungssaal anwesend. Durch Beschluss ebenfalls vom 02.02.2012 erlegte das Landgericht dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens sowie die Auslagen des Nebenklägers auf. Mit Schreiben vom 09.02.2012 beantragte der Nebenkläger-Vertreter die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 4126 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr von 270 Euro sowie eine Reihe anderer, nicht streitgegenständlicher Gebühren und Auslagen gegen den Beschwerdeführer. Auf Anhörung äußerte dessen Verteidiger Bedenken gegen die Festsetzung der geltend gemachten Terminsgebühr mit dem Hinweis, dass die Berufung noch vor Aufruf der Sache zurückgenommen wurde und eine Hauptverhandlung infolge dessen nicht stattgefunden hat. Dem entgegnete der Nebenkläger-Vertreter mit Schriftsatz vom 19.03.2012 unter Hinweis auf den Wortlaut von Vorbemerkung 4 Abs. 3 VV RVG. Der die Gebühr rechtfertigende Aufwand sei angefallen, zumal er sich bereits verhandlungsbereit im Gerichtssaal eingefunden hatte. Mit Beschluss vom 12.04.2012, zugestellt am 18.04.2012, setzte der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts Herne die von dem Beschwerdeführer zu erstattenden Kosten in vollem Umfang auf insgesamt 918,92 Euro, die Terminsgebühr mithin in Höhe der beantragten 270 Euro nebst Umsatzsteuer fest. Er stellte zur Begründung maßgeblich darauf ab, dass Berufungsverfahren dieser Art sich durch einen gesteigerte Vorbereitungsaufwand auszeichneten, welcher die Zuerkennung der beantragten Gebühr rechtfertige. Hiergegen richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 25.04.2012. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe ein Unterschied zwischen einem aufgerufenen, aber "geplatzten" Temin, zu dem ein Rechtsanwalt vergeblich angereist sei, und dem dauerhaften Wegfall des Grundes für einen ursprünglich anberaumten, letztlich aber gar nicht erst aufgerufenen Termin. In letzterem Fall könne keine Terminsgebühr entstehen, allenfalls könne die Mindestgebühr von hier 70 Euro veranschlagt werden.

II.

Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Kammer ist in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zur Entscheidung berufen. Gegenstand der Beschwerde ist eine Kosten...

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