Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwesenheitsrecht des Gläubigers bei Zwangsvollstreckung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher ist eine Verwaltungsvorschrift, die lediglich Amtspflichten für den Gerichtsvollzieher, aber keine selbständigen Verfahrensvorschriften für die Zwangsvollstreckung begründen kann.
2. Der Gläubiger wird weder benachteiligt noch in seinen Rechten beeinträchtigt, wenn er nicht bei dem Vollstreckungstermin anwesend ist. Der von ihm beauftragte Gerichtsvollzieher hat bei der Zwangsvollstreckung die Belange des Gläubigers zu wahren und die Vollstreckung eigenverantwortlich durchzuführen.
Normenkette
ZPO § 766; GVGA § 62 Ziff. 5 i.V.m, § 108
Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 23.10.1990; Aktenzeichen 53 M 2990/90) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 500,00 DM festgesetzt.
Gründe
Durch Beschluß vom 23.10.1990 hat das Amtsgericht die Erinnerung des Gläubigers, mit der er den Gerichtsvollzieher angewiesen wissen wollte, ihn von dem beabsichtigten Vollstreckungstermin zu unterrichten und ihm die Möglichkeit zu geben, hierbei anwesend zu sein, zurückgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, ein generelles Anwesenheitsrecht des Gläubigers bei der Zwangsvollstreckung finde keine Stütze im Gesetz. Die Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung sei lediglich eine Verwaltungsanordnung und habe keinen Rechtsnormcharakter. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift des § 62 Ziff. 5 i.V.m. § 108 sei zweifelhaft. Ein Anwesenheitsrecht des Gläubigers entspreche darüberhinaus nicht praktischen Bedürfnissen und sei schwer zu realisieren.
Gegen diese ihm am 07.11.1990 zugestellte Entscheidung hat der Gläubiger mit der am 13.11.1990 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 12.11.1990 „befristete Erinnerung” eingelegt, die er im wesentlichen mit seinem früheren Vorbringen begründet.
Bei dem Rechtsmittel handelt es sich um eine sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO die an sich statthaft und zulässig aber nicht begründet ist.
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Gläubiger sein Ziel, im Verfahren nach § 766 ZPO verfolgen kann. Auf diesem Rechtsweg werden nur Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, regeln überprüft. Der Gläubiger erstrebt die Anweisung des Gerichtsvollziehers ihm die Möglichkeit zu geben, bei der Vollstreckung zugegen zu sein. Hierbei aber handelt es sich nicht um ein gesetzlich normiertes Recht des Gläubigers, worauf bereits das Amtsgericht in seiner Entscheidung hingewiesen hat. Die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher ist eine Verwaltungsvorschrift, die lediglich Amtspflichten für den Gerichtsvollzieher aber keine selbständigen Verfahrensvorschriften für die Zwangsvollstreckung begründen kann. Die Einhaltung dieser Amtspflichten kann nur auf dem Verwaltungswege im Rahmen der Dienstaufsicht erzwungen werden (vgl. Zöller, ZPO, 16. Auflage, § 766 Rdn. 11).
Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Die Kammer folgt der in dem angefochtenen Beschluß vertretenen Auffassung und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe Bezug (vgl. auch LG Berlin, DGVZ 1985 ff.; AG Düren, DGVZ 86, 45 ff.; LG Hannover, JB 88, 1578; a.A. Stein-Jonas, ZPO, 20. Auflage; § 758 Rdn. 9; Zöller, ZPO, 16. Auflage, § 758 Rdn. 28). Der Gläubiger wird entgegen seiner Darstellung weder benachteiligt noch in seinen Rechten beeinträchtigt. Der von ihm beauftragte Gerichtsvollzieher hat bei der Zwangsvollstreckung die Belange des Gläubigers zu wahren und die Vollstreckung eigenverantwortlich durchzuführen. Daran würde auch die Anwesenheit des Gläubigers nichts ändern. Über eine etwaige Austauschpfändung nach § 811a ZPO oder über die anderweitige Verwertung des Pfandgegenstandes nach § 825 ZPO entscheidet nicht der Gerichtsvollzieher an Ort und Stelle. Vielmehr befindet hierüber auf Antrag des Gläubigers das Vollstreckungsgericht. Schließlich darf darauf hingewiesen werden, daß dem Gläubiger auch der Zutritt zur Wohnung des Schuldners, sollte dies ihm verwehrt werden, nicht gem. § 758 ZPO gestattet werden könnte. Auf die Entscheidung der Kammer vom 08.11.1990 (7 T 630/90) wird insoweit verwiesen. Dieser Beschluß ist dem Gläubiger, der Partei dieses Verfahrens war, bekannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wurde nach den §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ff. ZPO bestimmt. Dabei hat die Kammer das Interesse des Gläubigers bei der Vollstreckung anwesend zu sein, mit 500,00 DM bewertet.
Fundstellen