Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmißbräuchlichkeit einer Eigenbedarfskündigung wegen vorhandener Alternativwohnung)
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Der Vermieter kann nach der Eigenbedarfskündigung nicht auf die Nutzung einer freigewordenen, anderweitigen Wohnung verwiesen werden, wenn er die an den Mieter überlassene Wohnung seiner persönlichen Lebensplanung gemäß vernünftigerweise beansprucht. Das Beharren auf der Eigenbedarfskündigung ist aber rechtsmißbräuchlich, wenn der Vermieter dem vertragstreuen Mieter die freie Wohnung nicht als Alternativwohnung zum Tausch angeboten hat (Vergleiche BVerfG, 1993-03-01, 1 BvR 1100/90, NJW 1991, 2273).
Gründe
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet.
Die Kläger können von den Beklagten im Ergebnis nicht gemäß § 556 BGB Räumung und Herausgabe der im ersten Obergeschoß des Hauses X.-Straße 69 gelegenen Wohnung verlangen. Der auf die Kündigung v. 29.4.1992 wegen Eigenbedarfs gestützte Räumungsanspruch der Kläger kann nämlich nicht durchgesetzt werden, weil das Räumungsbegehren nunmehr rechtsmißbräuchlich ist und damit dem geltend gemachten Klageanspruch der Einwand aus § 242 BGB entgegensteht.
1. Die Kündigung v. 29.4.1992 erfüllte die formellen Anforderungen, die an derartige Eigenbedarfskündigungen zu stellen sind (vgl. zum ganzen: Urt. der Kammer v. 18.5.1993 - 9 S 15/93 mit umfangreichen Nachweisen - teilweise veröffentlicht in WM 1993, 350). Nach dem Kündigungsschreiben v. 29.4.1992 war für die Beklagte zumindest "in groben Zügen" erkennbar, warum die Kläger ihre Wohnung für ihren Sohn "benötigten". Die Beklagten waren aufgrund des Kündigungsschreibens also in der Lage, die Berechtigung des geltend gemachten Eigenbedarfs zu überprüfen, was für die formellen Anforderungen an eine Eigenbedarfskündigung grundsätzlich ausreicht.
2. Die Voraussetzungen des § 564b Abs. 2 Ziff. 2 BGB waren auch in materieller Hinsicht nach Auffassung der Kammer gegeben, da die Kläger als Vermieter der Wohnung der Beklagten diese grundsätzlich für ihren Sohn und dessen Ehefrau "benötigten". Nach der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG (vgl. BGH NJW 1988, 904 ff. (= WM 1988, 47) und BVerfG NJW 1989, 970 ff. (= WM 1989, 114)) ist der geltend gemachte Eigenbedarf eines Vermieters für sich oder eine privilegierte Person im Sinne des § 564b Abs. 2 Ziff. 2 BGB grundsätzlich gegeben, wenn dieser Wunsch nachvollziehbar, verständlich und vernünftig erscheint. Insoweit ist in der Rechtsprechung des BVerfG geklärt, daß das grundgesetzlich geschützte Eigentum seinem Inhaber das Recht gewährt, den Eigentumsgegenstand entsprechend seiner eigenverantwortlichen Lebensgestaltung so zu nutzen, wie er dies nach seinen Plänen für richtig hält. Zur grundrechtlich verbürgten Verfügungsbefugnis des Eigentümers gehört aber insbesondere auch die Freiheit, diesen Gegenstand selbst zu nutzen oder durch eine privilegierte Person nutzen zu lassen. Dabei läßt sich der Wunsch, eine bestimmte Wohnung zu nutzen, nicht ausschließlich oder in erster Linie an objektiven Kriterien messen. Er hängt vielmehr eng mit dem bisherigen Lebensweg eines Menschen, seinen Zukunftsplänen und seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen zusammen. Unter Berücksichtigung dieser starken personalen Beziehung haben die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 564b Abs.2 Nr. 2 BGB den Eigennutzungswunsch des Eigentümers für sich oder die privilegierte Person grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Eigentümer für sich oder den von § 564b Abs. 2 Ziff. 2 BGB begünstigten Personenkreis als angemessen ansieht. Damit ist ein Mieter jedoch nicht schutzlos gestellt; von den Gerichten zu prüfende Grenzen des Erlangungswunsches liegen nämlich darin, ob dieser ernsthaft verfolgt wird, ob er rechtsmißbräuchlich ist, etwa weil der geltend gemachte Wohnbedarf - gemessen an objektiven Kriterien - weit überhöht ist oder weil die gekündigte Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters überhaupt nicht erfüllen kann, oder ob der Wohnbedarf in einer anderen - freigewordenen - Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann (vgl. zum ganzen: BVerfGE 79, 292 ff. = NJW 1989, 970 ff.(= WM 1989, 114); BVerfG NJW 1993, 1637 ff. (= WM 1994, 130); BVerfG NJW 1994, 309, 310 = WM 1993, 729 ff., m.w.N. ; BVerfG NJW 1994, 310, 311 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der geltend gemachte Eigenbedarf des Klägers für seinen Sohn nach dessen Hochzeit durchaus verständlich und nachvollziehbar, denn nach den Angaben der Zeugen bei ihrer Vernehmung beim AG kann man davon ausgehen, daß "ihre Wohnsituation" entsprechend ihren zu akzeptierenden Wünschen unzureichend war, weil sie sich ihre jetzigen Räumlichkeiten nicht entsprechend ihren nicht unangemessenen Vorstellungen einrichten konnten. So war es durchaus nachvollziehbar, wenn der Sohn nach seiner Heirat mit seiner Ehefrau in eine ausreichend geräumige Wohnung mit einer entsprechenden Anzahl großer Räumlichkeiten einzi...