Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfluss eines anhängigen Beschwerdeverfahrens nach § 335 Handelsgesetzbuch (HGB) auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 10.000,00 EUR wegen Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen bei dem Betreiber eines elektronischen Bundesanzeigers. Durchschlagen einer Androhungsverfügung unbeschadet ihrer Bestandskraft auf alle späteren Ordnungsgeldfestsetzungen bei einer zu kurzen Fristbestimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Auf ein anhängiges Beschwerdeverfahren nach § 335 HGB hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beschwerdeführerin keinen Einfluss.
2. Eine Androhungsverfügung, die entgegen § 135 Abs. 3 FGG (§ 390 Abs. 5 FamFG) eine zu kurze Frist setzt, schlägt unbeschadet ihrer Bestandskraft auf alle späteren Ordnungsgeldfestsetzungen durch, die hierauf aufbauen.
Normenkette
HGB § 335; FGG § 135 Abs. 3; FamFG § 390 Abs. 5; ZPO § 240
Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde vom 15.05.2010 wird die Ordnungsgeldentscheidung vom 10.05.2010 einschließlich der darin festgesetzten Gebühren und Auslagen aufgehoben.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes von 10.000,00 EUR wegen Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen 2006 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz drohte der Beschwerdeführerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes erstmalig mit Verfügung vom 15.02.2008, zugestellt am 20.02.2008, an. Hiergegen legte die Beschwerdeführerin am 06.03.2008 (Eingang) Einspruch ein.
Mit Verfügung vom 22.09.2008 setzte das Bundesamt unter Verwerfung des Einspruchs das angedrohte Ordnungsgeld in Höhe von 2.500,00 Euro fest und gab der Beschwerdeführerin zugleich unter Androhung eines weiteren Ordnungsgeldes von 5.000,00 Euro auf, innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung der Offenlegungspflicht nachzukommen oder die Unterlassung mittels Einspruch zu rechtfertigen.
Mit Verfügung vom 03.03.2009 setzte das Bundesamt sodann das weitere Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro fest und drohte ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 7.500,00 Euro an.
Mit Verfügung vom 01.03.2010 setzte das Bundesamt auch dieses Ordnungsgeld in Höhe von 7.500,00 EUR fest und drohte ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR an.
Nunmehr hat das Bundesamt durch die angefochtene Entscheidung vom 10.05.2010 das weitere Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 Euro festgesetzt. Gegen die ihr am 12.05.2010 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 16.05.2010 (Eingang) sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Schreiben vom 08.12.2010 hat eine Rechtsanwältin als Insolvenzverwalterin mitgeteilt, dass mit Beschluss des Amtsgerichts O vom 01.12.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beschwerdeführerin eröffnet worden sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Beschwerdeverfahren nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beschwerdeführerin unterbrochen worden ist. Die Vorschrift des § 240 ZPO ist in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach allgemeiner Auffassung nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Lediglich in kontradiktorischen Verfahren, die materiell zivilrechtlicher Art sind, namentlich in WEG-Verfahren nach altem Recht, wurde dies teilweise vertreten; um eine solche Fallgestaltung geht es vorliegend jedoch nicht.
Die Beschwerdeführerin ist auch weiterhin prozessführungsbefugt. Sie kann ihre Rechte weiterhin selbst, d.h. durch ihre satzungsmäßigen Vertreter, geltend machen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Gesellschaft auf den Insolvenzverwalter über. Hiervon bleibt jedoch die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers unberührt; dieser verliert nicht etwa durch die Insolvenzeröffnung sein Amt, sondern bleibt weiterhin Geschäftsführer bzw. Liquidator (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2001, 1417). Zwar mag es sein, dass das Ordnungsgeld, das schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt worden war, eine (nachrangige) Insolvenzforderung darstellt (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO; vgl. BGH WM 2010, 2319 [BGH 14.10.2010 – IX ZR 16/10] in Bezug auf Geldstrafen). Jedoch handelt es sich um eine strafähnliche Sanktion, die zur Ahndung des schuldhaften Unterlassens einer handelsrechtlichen Pflicht verhängt worden ist. Das Ordnungsgeld beruht auf einem persönlich vorwerfbaren, schuldhaften Verhalten der Gesellschaft bzw. der natürlichen Personen, durch die die Gesellschaft handelt (vgl. zu einem Ordnungsgeld, das gegen einen Zeugen verhängt worden war, über dessen Vermögen dann während des laufenden Beschwerdeverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, LAG Hessen, Beschluss vom 22.10.2007 – 4 Ta 357/07 –). Ein B...