Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebrauchsüberlassung von Wohnräumen an Dritte
Orientierungssatz
1. Der Vermieter muß unter Umständen dulden, daß eine Mieterin nach dem Tode ihres Ehemannes mit einem ledigen Mann in der Wohnung zusammenlebt.
2. Dem Vermieter ist nicht in jedem Falle unzumutbar, gegen seinen Willen zu dulden, daß eine unverheiratete Mietpartei mit dem ledigen Dritten in einer Wohnung zusammenlebt.
Tatbestand
Durch Vertrag vom 27. November 1964 vermietete die Klägerin an die Beklagte und deren damaligen Ehemann die in S., W., im 2. Obergeschoß rechts, befindliche Wohnung. In diesem Hause befinden sich außerdem drei weitere Mietwohnungen sowie die Geschäftsräume der Klägerin. In den Allgemeinen Vertragsbestimmungen, die Gegenstand des Mietvertrages sind, heißt es ua:
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"Ziff 7 |
Genehmigungspflichtige Handlungen des Mieters |
(1) Mit Rücksicht auf ... bedürfen die Mieter der |
vorherigen schriftlichen Einwilligung des |
Wohnungsunternehmens, wenn sie |
a) die Wohnung oder einzelne Räume entgeltlich oder |
unentgeltlich Dritten überlassen, es sei |
denn, es handelt sich um eine unentgeltliche |
Aufnahme von angemessener Dauer (Besuch), |
... |
Ziff 10 |
Außerordentliches Kündigungsrecht |
(1) Das Wohnungsunternehmen kann das Mietverhältnis |
ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn |
a) die Mieter oder ... ungeachtet einer Abnehmung |
des Wohnungsunternehmens einen vertragswidrigen |
Gebrauch der Mietsache fortsetzen, der die |
Rechte des Wohnungsunternehmens in erheblichem |
Maße verletzt, insbesondere einem Dritten den |
ihnen unbefugten überlassenen Gebrauch belassen |
oder ... " |
Nachdem der Ehemann der Beklagten im Jahre 1970 verstorben war, nutzte diese die Wohnung zunächst alleine. Etwa zu Beginn des Jahres 1974 nahm die Beklagte sodann den ledigen italienischen Staatsangehörigen A. in ihre Wohnung auf und lebt seitdem mit diesem in einem eheähnlichen Verhältnis. Im Hinblick auf den andernfalls eintretenden Verlust ihrer Versorgungsansprüche nach ihrem verstorbenen Ehemann beabsichtigt die Beklagte nicht, Herrn M. zu ehelichen.
Mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 11. April 1975 forderte die Klägerin die Beklagte auf, bis zum 25. April 1975 dafür Sorge zu tragen, daß Herr M. die Wohnung verlasse, und die Wohnung in Zukunft nicht ganz oder teilweise anderweitig zu vermieten oder einer dritten Person zum Gebrauch zu überlassen. Für den Fall der Nichtbeachtung der Aufforderung drohte sie die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses an. Die Beklagte wies durch Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 15. April 1975 die Forderung der Klägerin zurück und verlangte unter Hinweis auf § 549 Abs 2 BGB deren Zustimmung zur Aufnahme von Herrn M. in ihre Wohnung. Daraufhin kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 21. April 1975 das Mietverhältnis unter Berufung auf Ziff 7 und 10 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen fristlos und erhob gleichzeitig Räumungsklage.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht verpflichtet, einen so tiefen Eingriff in die Vertragsbeziehungen, wie sie die Aufnahme eines Dritten in die Wohnung darstelle, hinzunehmen und zu dulden, daß die Beklagte in der Wohnung in einem Konkubinat lebe. Im übrigen stelle es bereits einen Grund zur fristlosen Kündigung dar, daß die Beklagte nicht vor der Aufnahme des ... in die Wohnung die Zustimmung der Klägerin eingeholt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
Die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung im Hause der Klägerin in S., belegen im 2. Obergeschoß rechts, bestehend aus 2 Zimmern, Küche, Dusche, WC und Diele zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, auch Bankbürgschaft, abzuwenden.
Sie hat behauptet, die Aufnahme von Herrn ... sei im - zumindest stillschweigenden - Einverständnis der Klägerin erfolgt. Deren damaliger Geschäftsführer, der Zeuge S., sei über ihre persönlichen Verhältnisse informiert gewesen und habe keine Einwände gegen die Mitnutzung der Wohnung durch Herrn ... erhoben.
Die Beklagte hat weiterhin im Wege der Widerklage beantragt,
Die Klägerin zu verurteilen,
den Einzug des Herrn ... in die im Klageantrag bezeichnete Wohnung zu gestatten.
Die Klägerin hat
Abweisung der Widerklage beantragt.
Das Amtsgericht hat gemäß Beschluß vom 24. Juni 1975 (Bl 32 d A) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S. . Wegen der Einzelheiten des Beweisbeschlusses und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt des Beschlusses sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 1975 (Bl 50 - 52 d A).
Durch das angefochtene Urteil ist die Beklagte zur Räumung verurteilt und die Widerklage abgewiesen worden. Das Amtsgericht hat die fristlose Kündigung für wirksam gehalten, weil die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Aufnahme von Herrn ... nicht, auch nicht stillschweigend, genehmigt habe und sie auch nicht gegen ihren Willen dulden müsse, daß die Beklagte mit ... , mit dem sie nicht einmal...