Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsunfall, fiktive Raparaturkosten, markengebundene Fachwerkstatt, freie Fachwerkstatt
Leitsatz (amtlich)
Zur Verweisung des Unfallgeschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten.
Normenkette
StVG §§ 7, 17; BGB § 249
Verfahrensgang
AG Euskirchen (Entscheidung vom 04.05.2012; Aktenzeichen 17 C 623/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Euskirchen vom 04.05.2012 - 17 C 623/11 - abgeändert und in der Hauptsache wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Darstellung des Tatbestandes entfällt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert von über 20.000,00 Euro nicht erreicht ist, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Der mit der Klage geltend gemachte restliche Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.555,70 EUR besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch weder aus §§ 7, 17 StVG noch aus § 823 Abs. 1 BGB. Zwar hat die Beklagte dem Grunde nach für die Folgen des Verkehrsunfallereignisses vom 17.12.2010 einzustehen. Der der Klägerin durch diesen Unfall entstandene Schaden ist jedoch vollständig ausgeglichen. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der fiktiven Fahrzeugreparaturkosten beschränkt sich auf denjenigen Betrag, auf den sich die Reparaturkosten in der von der Beklagten benannten freien Werkstatt summiert hätten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die eine Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt verursacht hätte.
1.Grundsätzlich ist es dem Geschädigten im Rahmen des § 249 BGB zuzugestehen, den erlittenen Schaden auf der Grundlage üblicher Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt, die ein Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat, in Rechnung zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2010, VI ZR 337/09, NJW 2010, 2725 (2726)). Den Geschädigten trifft bei einer solchen Abrechnung auch keine weitergehende Darlegungslast (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2009, VI ZR 53/09, NJW 2010, 606 (607)), etwa dahingehend, dass das Fahrzeug auch bis zu dem Unfall stets markengebundenen Fachwerkstätten vorgeführt wurde. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob und in welcher Qualität die Klägerin Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt hat. Im Bereich der fiktiven Abrechnung ist anerkannt, dass vom Geschädigten zur Schadensbehebung tatsächlich getätigte Dispositionen außer Betracht bleiben (vgl. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.12.2010, 2/16 S 62/10, NJW-RR 2011, 678 (679); siehe auch BGH, Urt. v. 29.04.2003, VI ZR 393/02, NJW 2003, 2085).
Der von der Klägerin beauftragte Sachverständige N hat seinem Gutachten vom 22.12.2010 unstreitig Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrundegelegt. Auf dieser Basis hat er Reparaturkosten in Höhe von 5.252,18 EUR netto ermittelt.
2.Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (BGH, Urt. v. 22.06.2010, VI ZR 337/09, NJW 2010, 2725 (2726)).
a)Die Beklagte hat eine gegenüber den vom Sachverständigen N ermittelten Kosten günstigere Reparaturmöglichkeit in der Werkstatt N2 in W aufgezeigt. Unstreitig hätte diese Werkstatt die Fahrzeugreparatur zu den Konditionen, die in dem als Anlage B1 vorgelegten Prüfbericht dargelegt sind, ausgeführt.
b)Die von der Beklagten benannte Reparaturmöglichkeit ist der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt gleichwertig.
Will der Schädiger auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen, muss er darlegen und ggf. beweisen, dass diese Reparatur gleichwertig derjenigen in einer markengebundenen Fachwerkstatt wäre.
Zur Gleichwertigkeit in diesem Sinne hat die Beklagten insbesondere vorgetragen, die von ihr benannte Werkstatt führe Instandsetzungsarbeiten nach den Vorgaben des Herstellers und dem Stand der Technik aus, verwende Original-Ersatzteile, bilde ihre Mitarbeiter regelmäßig weiter und verfüge über geeignete Werkzeuge. Diesen Ausführungen, die die Annahme der Gleichwertigkeit jedenfalls bezogen auf den hier zur Entscheidung vorliegenden Einzelfall begründen (vgl. auch LG Aachen, Urt. v. 21.02.2011, 5 S 156/10, BeckRS 2011, 16071; LG Essen, Urt. v. 23...