Verfahrensgang
AG Braunschweig (Entscheidung vom 20.02.2002; Aktenzeichen 56 Cs 508 Js 52037/01) |
Tenor
1.)
Auf die Beschwerde des Angeschuldigten vom 28.3.2002 wird der Beschluß des Amtsgerichts Braunschweig vom 20.2.2002 aufgehoben.
2.)
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
Durch Beschluß vom 20.2.2002 hat das Amtsgericht Braunschweig dem Angeschuldigten gem. § 111 a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Das Amtsgericht Braunschweig legt dem Angeschuldigten zur Last, am 11.10.2001 in Braunschweig sich unerlaubt vom Unfallort entfernt zu haben, indem er ein Kraftfahrzeug geführt habe, sich als Unfallbeteiligter nach einem Verkehrsunfall unerlaubt von der Unfallstelle entfernt habe, obwohl er gewußt habe oder habe wissen können, daß ein Mensch nicht unerheblich verletzt oder bedeutender Fremdschaden entstanden sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde vom 28.3.2002. Das Amtsgericht Braunschweig hat eine Abhilfe unter dem 2.4.2002 abgelehnt und den Vorgang zuständigkeitshalber dem Landgericht Braunschweig zur Entscheidung vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig beantragt,
die Beschwerde zu verwerfen.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Es bestehen keine dringenden Gründe für die Annahme, daß dem Angeschuldigten die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 111 a StPO).
Zwar geht auch die Kammer davon aus, daß der Angeschuldigte den Anstoß mit dem Pkw VW, T 4 Bus Multivan, amtl. Kennzeichen ... des Geschädigten ... bemerkte und anschließend in Kenntnis des Unfalls den Ort verließ, so daß die notwendigen Feststellungen vereitelt wurden. Dies mag eine Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort rechtfertigen. Gleichwohl kommt nur unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB - bedeutender Fremdschaden - eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, da nach dem von dem Geschädigten vorgelegten Kostenvoranschlag ein Kostenaufwand von ca. 1.944,57 DM zur Beseitigung des Schadens erforderlich ist und eine Wertminderung in Höhe von 250,- DM eingetreten ist. Nach Meinung der Kammer ist ein solcher Schaden aber im Jahre 2002 nicht mehr als bedeutend im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB anzusehen. Die Wertgrenze ist vielmehr bei mindestens 2.500,- DM wenn nicht sogar darüber hinaus anzusiedeln (vgl. zu der Wertgrenze LG Hamburg, DAR 2001, 521; LG Bielefeld, NZV 2002, 48). Insoweit ist es unerheblich, ob tatsächlich eine Wertminderung eingetreten ist.
Ob ein Schaden im Sinne dieser Vorschrift als bedeutend anzusehen ist, richtet sich nach den für seine Beseitigung erforderlichen Kosten. Die Wertgrenze für einen bedeutenden Fremdschaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist dabei eine veränderliche Größe, die von der allgemeinen Entwicklung des Einkommens und des Geldwertes zum Tatzeitpunkt abhängt (vgl. dazu Schönke/Schröder, 26. Aufl., § 69 Rand-Nr. 37). In den vergangenen Jahren war die Rechtsprechung in Abständen gezwungen, aufgrund der Einkommens- und Geldwertentwicklung die Schwelle des "bedeutenden Schadens" heraufzusetzen. Seit etwa 1991 wird der Grenzwert überwiegend bei 2.000,- DM angesetzt.
Da sich innerhalb der letzten 11 Jahre die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben und in Anbetracht der überproportional angestiegenen Kraftfahrzeugreparaturkosten ist es geboten, den Grenzwert für seit 2001 entstandene Schäden bei 2.500,- DM anzusetzen.
Der Beschluß war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3027962 |
DAR 2002, 469 |
VRA 2002, 186 |