Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
Verfahrensgang
AG Seesen (Beschluss vom 25.09.1990; Aktenzeichen C 379/90) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts … vom 25.09.1990 aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Bearbeitung an das Amtsgericht … zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Die Antragstellerin, die mit dem Antragsgegner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebte, hat mit der Behauptung, der Antragsgegner habe sie gewürgt und gedroht, sie umzubringen, den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der dem Antragsgegner die Räumung einer gemeinsam genutzten Wohnung aufgegeben bzw. das Betreten der Wohnung verboten werden soll. Das Amtsgericht … hat ihr die für dieses Verfahren nachgesuchte Prozeßkostenhilfe mit der Begründung verweigert, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete, da die Voraussetzungen des § 940 a ZPO nicht vorlägen.
Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig und auch begründet. Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung kann nicht verneint werden.
Zwar kann nach § 940 a ZPO die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung nur wegen verbotener Eigenmacht angeordnet werden. Dies gilt auch für den Fall, daß der Antrag nicht auf Räumung sondern auf Unterlassung des Betretens der Wohnung gerichtet ist (LG Bochum, NJW-RR 1990, 896; LG Mannheim WuM 1986, 351; Zoeller-Vollkommer, ZPO, 15. Aufl., § 940 a Rdn. 2). Maßgeblich ist insoweit, daß der Antragsteller – wie hier – durch die begehrte einstweilige Verfügung eine mit einer Räumungsverfügung vergleichbare Rechtsposition zu erlangen versucht, obwohl der Antragsgegner – unstreitig – keine verbotene Eigenmacht begangen hat.
Obwohl die Voraussetzungen des 5940 a ZPO danach nicht vorliegen, kommt doch eine einstweilige Verfügung auf Untersagung des Betretens der Wohnung in Betracht, da der Antragsgegner die Antragstellerin gewürgt und ihr gedroht hat, sie umzubringen, so daß dieser eine weitere Duldung des Mitbesitzes des Antragsgegners in der Wohnung bis zur Klärung im ordentlichen Klageverfahren nicht mehr zugemutet werden kann. Nach Auffassung der Kammer kann das Interesse eines Mieters an einem vorübergehenden Ausschluß des Besitzrechtes eines Mitmieters im Einzelfall derartig gewichtig sein, daß § 940 a ZPO keine Anwendung finden kann (LG Bochum a.a.O., Zoeller-Vollkommer, a.a.O., Spiecker NJW 1984, 852). Ein Mieter kann dann nicht auf ein (möglicherweise langwieriges) Verfahren auf Räumung von Wohnraum in ordentlichen Klagverfahren verwiesen werden, wenn er von einem Mitmieter massiv bedroht wird und um sein Leben fürchten muß. Läßt sich das nach Art. 2 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht anders schützen, als daß dem Mietmieter das Betreten der Wohnung untersagt wird, so muß das Gericht eine entsprechende Verfügung erlassen.
So liegen die Dinge hier. Nach dem glaubhaften Vortrag der Antragstellerin hat der Antragsgegner sie am 09. September 1990 um 4.30 Uhr in alkoholisiertem Zustand am Hals gewürgt und anschließend gedroht, sie umzubringen. Die Darstellung der Antragstellerin wird bestätigt durch die ärztliche (Diagnose des Städtischen Krankenhauses …, in der Würgemale am Hals der Antragstellerin bescheinigt werden. Durch eidesstattliche Versicherung hat die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht, daß sie ernsthaft um ihr Leben fürchtet, wenn der Antragsgegner nochmals Gelegenheit haben sollte, in alkoholisiertem Zustand ihr gegenüber tätlich zu werden.
Der Antragsgegner, der die Tätlichkeiten zugestanden hat, entschuldigt sich damit, daß die Antragstellerin ihn provoziert habe, indem sie ihn eifersüchtig gemacht habe.
Durch seinen Vortrag offenbart der Antragsgegner aber seine Unbeherrschtheit und Gewalttätigkeit der Antragstellerin gegenüber und verstärkt damit die Notwendigkeit einer gerichtlichen Regelung in dieser Sache.
Auch ist dem Antragsgegner zuzumuten, zumindest vorübergehend anderweitig unterzukommen. Es ist nicht einsehbar, daß die insoweit gesetzestreue Antragstellerin am Mitbesitz ihrer Mieträume gehindert ist und ihrerseits mit ihrem Kind bei einer Bekannten notdürftig unterkommen mußte, während der Antragsgegner in der Wohnung verbleibt.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat demnach hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit am Antragsgegners mißrieten das Fernseher der gewiesen Wohnung hinbeigesagt worden soll.
Die Sache war zur erneuten Entscheidung über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe an das Amtsgericht … zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 GKG i.V.m. dem Kostenverzeichnis sowie auf § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Fundstellen