Leitsatz (amtlich)

Der beigeordnete Zeugenbeistand/Vernehmungsbeistand rechnet seine Tätigkeiten als Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG ab.

 

Verfahrensgang

AG Chemnitz (Aktenzeichen 6 Ds 110 Js 14556/08)

 

Tenor

Die Beschwerde von Rechtanwalt S.K. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Chemnitz (6 Ds 110 Js 14556/08 wird als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung ergeht kostenfrei, Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Bei der Vergütung eines gemäß § 68 b StPO gerichtlich bestellten Zeugenbeistands ist in der Rechtsprechung streitig, aus welchen Gebührentatbeständen des Vergütungsverzeichnisses zum RVG sich sein Vergütungsanspruch ableitet.

a)

Ein Teil der Oberlandesgerichte vertritt die Ansicht, der Zeugenbeistand sei nach Abs. 1 der Vorbemerkungen zu Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG uneingeschränkt gemäß Abschnitt 1 des 4. Teils wie ein Pflichtverteidiger zu vergüten. Er erhalte deshalb die Grundgebühr (außer im Wiederaufnahmeverfahren), die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren sowie die Terminsgebühr ( vgl. OLG Köln, 2. Senat, NStZ 2006, 410; OLG Koblenz, NStZ-RR 2006, 254; KG Berlin, 3.Senat, NStZ-RR 2005, 358; OLG Schleswig, NStZ-RR 2007,126; OLG München, AGS 2008, 120; OLG Hamm, 2. Senat, StraFo 2008,45; OLG Düsseldorf, 2.Senat, StRR 2008, 78). Der gerichtlich beigeordnete Rechtsanwalt sei für den ihm übertragenen Tätigkeitsbereich der Beistandsleistung für den Zeugen ein "voller Vertreter". Somit scheide die Anwendung des subsidiären Abschnitts 3 des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses aus. Die sachgerechte Wahrnehmung der Rechte des Zeugen (etwa § 55 StPO) würde eine Tätigkeit des Zeugenbeistands erfordern, die der eines Verteidigers gleichsteht. Ein in manchen Fällen auftretendes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung sei als systembedingt hinzunehmen.

Einzelne Gerichte sprechen nur mit Einschränkungen die Gebühren gemäß Abschnitt 1 des 4. Teils des Vergütungsverzeichnisses zum RVG zu. So wird teilweise die Zuerkennung der Verfahrensgebühr abgelehnt. Aus der entsprechenden Anwendbarkeit des 4. Teils könne nicht geschlossen werden, dass ein Zeugenbeistand unabhängig vom tatsächlichen Aufwand stets wie ein Verteidiger zu honorieren sei. Am gerichtlichen Strafverfahren wirke der Zeugenbeistand nicht gestaltend mit. Die Einarbeitung sei durch die Grundgebühr gedeckt, das Absprechen einer Verteidigungsstrategie mit dem Zeugen dürfe nicht zu Lasten des in die Kosten verurteilten Angeklagten gehen (vgl. OLG Dresden, 2. Senat, Beschluss v. 6.11.2007, 2 Ws 495/06, AGS 2008, 126 und vom 06.11.2008, 2 Ws 103/08, StraFo 2009, 42; KG Berlin 5. Senat, StraFo 2007, 41).

Teilweise werden einzelne Gebühren (insbes. die Verfahrensgebühr, aber auch die Grundgebühr) nur nach konkreter Prüfung zugesprochen. Der Zeuge benötige zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Rechte aus §§ 52, 53, 55, 238 Abs.2, 242 StPO, 171 b Abs.1 S.2, Abs.2, 174 Abs.1 S.1 GVG im Einzelfall eine der Verteidigerfunktion entsprechende Tätigkeit des Zeugenbeistands (vgl. OLG Brandenburg, NStZ-RR 2007, 287; OLG Köln, 2. Senat, StraFo 2008, 350; OLG Stuttgart, 1.Senat, NStZ 2007, 343 und OLG München, AGS 2008, 449).

Nach einem weiteren Teil der Rechtsprechung kann der als Zeugenbeistand beigeordnete Rechtsanwalt nur die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG beanspruchen.

Begründet wird dies damit, dass aus Abs. 1 der Vorbemerkung zu Teil 4 nicht hergeleitet werden könne, dass für den Zeugenbeistand nur Teil 4 Abschnitt 1 (Pflichtverteidigervergütung) gelte. Vielmehr gelte auch Abschnitt 3 (Einzeltätigkeiten). Die Neuregelung der Gebühren stelle lediglich eine Aufhebung der früheren Rechtslage (generelle Halbierung der Gebühren) dar.

Auch ein Verteidiger könne für eine vorübergehende Teilnahme nicht sämtliche Gebühren beanspruchen. Die Vorschriften des Abschnitts 1 seien für den frei gewählten Zeugenbeistand, den "Wahlbeistand", gedacht, dessen Vergütung sich nach dem konkreten Aufwand (und Auftrag) richte. Sinn und Zweck des § 68 b StPO sei jedoch nur die Geltendmachung von Abwehr- und Schutzrechten des Zeugen. Dies erfordere zwar Vorbereitung durch ein Vorgespräch. Ein solches sei aber - wie beim Beschuldigtenbeistand - mit der Vergütung der Einzeltätigkeit abgegolten, die in sämtlichen Fällen des Nr. 4301 VV RVG ohne Vorbereitung schlechterdings nicht sinnvoll sei. Eine Bezahlung wie die des Pflichtverteidigers, der die volle Last des Verfahrens trägt, sei in den meisten Fällen unangemessen. Der beigeordnete Zeugenbeistand habe aufgrund seines begrenzten Aufgabenkreises im Vergleich zum Verteidiger und Vertreter regelmäßig einen geringeren zeitlichen und inhaltlichen Aufwand zu erbringen. Nach den Gesetzesmaterialien des § 68 b StPO (BT-Drucks. 13/7165, S.5; vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.) sollen Zeugen mit dieser Beiordnungsmöglichkeit zudem verhältnismäßig kostengünstig bei der Vernehmung geschützt werden. Durch e...

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