Leitsatz (amtlich)
Die vorläufige Einstellung eines Verfahrens kann nicht entsprechend der Vorschrift des § 205 StPO wegen der längeren Abwesenheit eines Zeugen erfolgen.
Verfahrensgang
AG Senftenberg (Entscheidung vom 21.09.2009; Aktenzeichen 51 a Ds 56/08) |
Tenor
1.
Auf die Beschwerde der Angeschuldigten vom 27.01.2009 wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 21.09.2009, Az... aufgehoben.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 15.01.2008 wird der Angeschuldigten zur Last gelegt, in der Zeit vom 13.07. bis 31.07.2007 in Senftenberg versucht zu haben, einen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Duldung zu nötigen. Konkret wird ihr zur Last gelegt, sich wegen bestehender Mietrückstände in die von ihr an den Zeugen ... vermietete Wohnung in der ... begeben, aus dieser persönliche Unterlagen, Bekleidung, einen PC, einen Fernseher, einen DVD-Player, eine Stereoanlage sowie Hygieneartikel des Zeugen in ihre Wohnung verbracht und am 31.07.2007 dann die Herausgabe der Sachen verweigert zu haben, als sich der Zeuge zu ihr begeben hatte, um die rückständige Miete zu bezahlen.
Das Amtsgericht Senftenberg hat - einem Antrag der Staatsanwaltschaft vom 15.01.2009 entsprechend - das Verfahren mit Beschluss vom 21.01.2009 mit der Begründung, dass der Aufenthalt des Zeugen ... unbekannt sei, gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 27.01.2009 bei dem Amtsgericht eingegangene Beschwerde der Angeschuldigten. Zur Begründung führt sie an, dass nach der Vorschrift des § 205 StPO eine vorläufige Einstellung nur dann in Betracht komme, wenn der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten - nicht jedoch eines Zeugen - entgegenstehe.
Die Staatsanwaltschaft, welche die Akten nach Eingang der ihr vom Amtsgericht übersandten Beschwerde unmittelbar, d.h. ohne nochmalige Vorlage an das Amtsgericht, der Beschwerdekammer übersandt hat, ist der Ansicht, dass der Beschwerde nicht abzuhelfen sei.
II.
Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte und zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 21.01.2009 ist in der Sache begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
1.
Einer Entscheidung des Beschwerdegerichts steht zunächst nicht entgegen, dass das gemäß § 306 Abs. 2 StPO vorgesehene Abhilfeverfahren nicht durchgeführt worden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 306 Rn. 10). Die Kammer hat zur Vermeidung von weiteren Verfahrensverzögerungen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne Abhilfeentscheidung des Amtsgerichts über die Beschwerde in der Sache selbst zu entscheiden.
Da die Staatsanwaltschaft der Beschwerdekammer jedoch wiederholt Akten unter Verletzung des in § 306 Abs. 2 StPO vorgesehenen Verfahrens vorgelegt hat, soll auf diese Regelung nochmals ausdrücklich hingewiesen werden. Das Abhilfeverfahren soll dem Erstrichter die Gelegenheit zur Korrektur seiner Entscheidung geben, um dem Beschwerdegericht gegebenenfalls eine Befassung mit der Sache zu ersparen (so ausdrücklich BGH NJW 1992, 2169). Dieser Aufgabe kann es nur gerecht werden, wenn eine Beschwerde, die bei einem Amtsgericht eingeht, welchem die Akten nicht mehr vorliegen und welches die Beschwerde daher ohne Abhilfeentscheidung an die Staatsanwaltschaft weiterleitet, mit den Akten nochmals dem Amtsgericht zur Entscheidung über die Abhilfe übersandt wird. Erst nach einer entsprechenden Entscheidung des Amtsgerichts sind die Akten dann dem Beschwerdegericht vorzulegen.
2.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig. Insbesondere steht der Angeschuldigten ein Recht zu, sich gegen eine vorläufige Einstellung des gegen sie gerichteten Verfahrens zu wehren, da sie einen Anspruch hat, nicht länger als nötig in das Verfahren verstrickt zu sein (vgl. KK-StPO-Schneider, 6. Aufl., § 205 Rn. 21).
3.
Die Beschwerde dringt auch in der Sache durch, da die Entscheidung des Amtsgerichts auf einer fehlerhaften Anwendung des § 205 StPO beruht.
Die Vorschrift des § 205 StPO gestattet nach ihrem Wortlaut die vorläufige Einstellung des Verfahrens nur in den Fällen, in denen der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegensteht. Die angefochtene Entscheidung kann somit keinesfalls unmittelbar auf die vom Amtsgericht herangezogene Bestimmung gestützt werden. Aber auch eine entsprechende Anwendung kommt nicht in Betracht, da § 205 StPO keine Regelung enthält, die einem allgemeinen, auf andere Verfahrensgestaltungen übertragbaren Rechtsgedanken Raum gibt.
Zwar wird diese Ansicht vor allem im Schrifttum teilweise vertreten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 205 Rn. 8 m.w.N.). Allerdings legt bereits der enge Wortlaut der Vorschrift die Annahme nahe, dass der Gesetzgeber mit der Anbindung der eine Verfahrenseinstellung rechtfertigend...