Verfahrensgang
AG Langen (Hessen) (Beschluss vom 01.12.1999) |
ArbG Offenbach am Main (Aktenzeichen 3 Ca 719/99) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Langen vom 01.12.1999 aufgehoben.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (vgl. §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 577 Abs. 2 ZPO) und begründet.
Für den zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit ist nicht der Rechtsweg zu dem Arbeitsgericht, sondern zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.
Nach der durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17.12.1990 bewirkten Neufassung der §§ 17 f. GVG, § 48 ArbGG ist das Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten und Arbeitsgerichten nicht mehr, wie zuvor, ein solches der sachlichen Zuständigkeit, sondern der Zulässigkeit des Rechtswegs (so ausdrücklich BGH NJW 1998, 909; BAG NJW 1996, 2948; OLG Köln VersR 1994, 498). Danach gelten für die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den ordentlichen und den Arbeitsgerichten die allgemeinen Grundsätze, die in der Rechtsprechung zu der Frage des jeweils zulässigen Rechtsweges entwickelt wurden. Die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges beantwortet sich aus der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. BGHZ 102, 280, 283; BGHZ 97, 312, 313). Stellt sich danach der Klageanspruch nach der vom Kläger gegebenen tatsächlichen Begründung als Folge eines Sachverhaltes dar, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist, so ist für ihn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Dieser Rechtsweg ist nur dann ausgeschlossen, wenn der streitige klägerische Anspruch nach dessen Sachvortrag nur als arbeitsrechtlicher Anspruch möglich ist (vgl. BGHZ 72, 56, 57; BGH NJW 1998, 909).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Amtsgericht den Rechtsstreit unzutreffender Weise an das Arbeitsgericht Offenbach verwiesen. Nach der von der Klägerin gegebenen tatsächlichen Begründung stellt sich deren Klageanspruch nicht als arbeitsrechtlicher Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis dar, weshalb der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist. Die Ausgestaltung des der Klage zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses aufgrund der Vereinbarung vom 08.12.1998 erfüllt nach Auffassung der Kammer nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses.
Arbeitnehmer ist, wer in persönlicher Abhängigkeit weisungsgebunden unselbständige, fremdbestimmte Arbeit für einen anderen leistet (vgl. BAG 12, 303; Grunsky Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl., § 5 RdNr. 4). Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien erfüllt die von der minderjährigen Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, unterzeichnete „Vereinbarung” mit der Beklagten vom 08.12.1998 nicht die typischen Merkmale eines Arbeitsvertrages im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes. Nach herrschender Meinung gibt es keinen Rechtssatz des Inhalts, dass Dienste in persönlicher Abhängigkeit stets und ausschließlich nur aufgrund eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden können. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles. So hat das Bundesarbeitsgericht beispielsweise für das Austragen von Zeitungen bzw. für die Tätigkeit von Zeitungszustellern entschieden, dass diese nicht stets und ausnahmslos Arbeitnehmer sind. Sie können auch aufgrund freien Dienst- oder Werkvertrages, also selbständig tätig sein (vgl. BAG DB 1997, 2437). Insbesondere kommt nach den konkreten Umständen des Einzelfalles einem Zeitungszusteller kein Arbeitnehmerstatus zu, der in einem vorgegebenen Bezirk innerhalb eines vertraglich festgelegten Zeitrahmens bei geringer zeitlicher Inanspruchnahme eine einmal pro Woche erscheinende Zeitung zustellt und sich dabei jeder Zeit von mithelfenden Familienmitgliedern oder sonstigen Personen vertreten lassen darf (vgl. ArbG Oldenburg DB 1996, 2446). Die Kammer hält die hier zur Beurteilung stehende Fallkonstellation für vergleichbar, wobei die effektive Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses hier gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses spricht. So schuldet die Klägerin in erster Linie einen bestimmten aus ihrer Tätigkeit resultierenden Erfolg nämlich die Verteilung einer vorgegebenen Stückzahl von 1.000 Werbebroschüren innerhalb einer fest bestimmten Zeit zwischen Samstags 14.00 Uhr und Sonntags 24.00 Uhr. Das heißt im Vordergrund der geschlossenen Vereinbarung steht ein konkreter Erfolg wie er auch im Rahmen eines Dienst- bzw. Werkvertrages geschuldet wird. Die persönliche Abhängigkeit der Klägerin ist nach den Vertragsmodalitäten als gering einzustufen, denn es fehlt an einer festen Einbindung in eine vorgegebene Organisationsstruktur. Der Klägerin steht es nach dem Inhalt der Vereinbarung frei, sich von Familienmitgliedern oder sonstigen Dritten vertreten zu lassen (vgl. Seite 2 der Verteileranweisung). Die Vergütung wird pro Stück des verteilten Werbematerials gewährt. Die...