Entscheidungsstichwort (Thema)

Einräumung eines Wohnrechts in einem Testament: Kündigungsmöglichkeit der Erben. Einräumung eines Wohnrechts in einem Testament: Streitwert des über das Wohnrecht geführten Rechtsstreits

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einräumung eines Wohnrechts in einem Testament erfolgt auf Grund Vermächtnisses. Das Wohnrecht selbst ist als Leihe zu qualifizieren.

2. Verfügt der Erblasser, dass der Bedachte ausziehen muss, wenn er wieder "Vollalkoholiker" wird, ist durch Beweisaufnahme zu ermitteln, was der Erblasser mit dem Begriff "Vollalkoholiker" gemeint hat.

3. Bei einem durch letztwillige Verfügung eingeräumten Wohnrecht steht den Erben die Kündigungsmöglichkeit des § 605 BGB nicht zu. Das Vermächtnis ist insoweit dahingehen anzulegen, dass das Kündigungsrecht durch das Vermächtnis auf Dauer - sprich Lebzeiten des Bedachten - ausgeschlossen sein soll.

4. Bei einer Kündigung nach § 605 BGB wären im Übrigen auch die Interessen des Vermächtnisnehmers zu berücksichtigen.

5. Der Streitwert bei einem Streit über ein durch Testament eingeräumtes Wohnrecht richtet sich nach § 9 ZPO und ist nach dem 3,5-fachen Wert des einjährigen Wertes des Wohnrechts - der zu schätzen ist - zu bestimmen.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist für den Beklagten im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.850,- Euro vorläufig vollstreckbar.

IV. Streitwert: 10.737,13 Euro

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Räumung einer Wohnung, die im Eigentum der Klägerin steht.

Die Klägerin ist Enkelin der am 23.02.1982 verstorbenen .... Der Beklagte war der zweite Ehemann der ... Diese war Eigentümerin des Anwesens .... ... wurde von ihrer Tochter ... der Mutter der Klägerin, beerbt, die ihrerseits der Klägerin das Anwesen vererbte. ... hinterließ ein Testament vom 13.03.1979 in dem sie u.a. verfügte:

"... Mein Mann ... kann vorerst hier wohnen bleiben, aber nur bis zur Wiederverheiratung u. solange er nicht wieder Voll-Alkoholiker wird. Dann muss er eben sofort ausziehen. Ich wünsche mir, dass vielleicht meine Tochter ... mit ihren Enkelkindern hier wohnen wird, bis die Kinder groß sind. ... Sollte ... das Haus einmal verkaufen wollen, (... unleserlich) die Bedingung dass ... für sich eine kleine Wohnung behält. ...".

Eine Eintragung des Wohnrechts des Beklagten im Grundbuch fand nicht statt. Der Beklagte bewohnt das Erdgeschoss des Anwesens. Er benutzt zwei Kellerräume und einen Teil des Schuppens.

Die Klägerin meint, dass sich aus dem Testament der Wille der Verstorbenen ergeben, dass der Beklagte nur "vorerst" auf dem Anwesen wohnen bleiben sollte, also solange, bis die Töchter der Erblasserin und deren Kinder Wohneigenbedarf haben. Ein dauerndes Wohnrecht des Beklagten ließe sich aus der letztwilligen Verfügung nicht herleiten. Selbst bei einem lebenslangem Wohnrecht stehe dem Verleiher nach § 605 BGB im Falle des Eigenbedarfs ein Kündigungsrecht nach Treu und Glauben zu. Sie behauptet, Eigenbedarf liege wegen der Geburt eines Kindes nunmehr vor. Der Beklagte müsse auch deswegen ausziehen, weil er Alkoholiker sei. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Gebrauchsüberlassung an den Beklagten als Leihe zu qualifizieren sei. Wegen nachhaltiger Störungen des Hausfriedens seitens des Beklagten und wegen Eigenbedarfs sei sie zur Kündigung der Leihe berechtigt gewesen.

Die Klägerin beantragt:

Den Beklagten zu verurteilen, folgende von ihm im Anwesen ..., ... gelegenen innegehaltenen Räumlichkeiten geräumt an die Klägerin herauszugeben:

a) im Erdgeschoss befindliche Wohnung, bestehend aus Küche, Bad, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Flur;

b) 2 Kellerräume, aus Richtung Wohntreppe kommend der erste Raum links des Flurs mit ca. 4 qm und der erste Raum rechts des Flurs mit ca. 13 qm lt. beiliegender Skizze als Keller 1 und Keller 2 gekennzeichnete Räume;

c) Teilfläche des Schuppens von ca. 8 qm, die sich auf der linken Seite der Schuppentür, aus Richtung Grundstück in den Schuppen kommend, befindet.

Der Beklagte beantragt:

Klageabweisung, hilfsweise Vollstreckungsschutz.

Er meint, in der durch Testament verfügten Einräumung eines Wohnrechts liege ein Vermächtnis, mit dem der Erbe auf Dauer beschwert sei. Die Klägerin könne dieses Vermächtnis nicht einseitig durch Kündigung, Lossagung oder in irgend einer anderen Weise beseitigen. Die Bedingungen, nach denen das Vermächtnis seine Wirkung verlieren würde, nämlich Wiederverheiratung und Alkoholismus lägen nicht vor. Andere Bedingungen enthalte das Testament nicht. Das Wort "vorerst" im Testament sei so auszulegen, dass der Beklagte nur dann ausziehen müsse, wenn er wieder heiratet oder in Alkoholismus verfalle. Der Beklagte habe in einem bestimmten Zeitraum während der Ehe mit ... Alkohol in einem Maße zu sich genommen, dass man wohl von Alkoholmissbrauch reden muss. Im Zustand vollkommener Alkoholisierung sei es damals wiederholt zu Vorkommnissen gekommen, bei denen der Beklagte auch Gewalt gegen Sachen und Perso...

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