Entscheidungsstichwort (Thema)
Obliegenheitsverletzung. Verkehrsunfallflucht. Wartepflicht. Vorsatz. Arglist
Leitsatz (amtlich)
Das Verlassen der Unfallstelle rechtfertigt die Annahme arglistigen Handelns, wenn es geeignet ist, die Aufklärung des Tatbestandes und die Ermittlung des Haftungsumfangs der Versicherung nachteilig zu beeinflussen. Eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich.
Normenkette
VVG § 28 Abs. 2-3, § 115; BGB § 426 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Detmold (Aktenzeichen 6 C 107/12) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten vom 04.10.2012, ihm für die Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Der Antrag des Beklagten vom 04.10.2012, ihm für die Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Ausgleichsanspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Kfz-Versicherungsvertrag in Höhe von 2.500,00 Euro nebst Zinsen geltend. Am 29.04.2011 beschädigte der Beklagte mit seinem bei dem Kläger haftpflichtversicherten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen AB-CD 123 gegen 23:10 Uhr auf dem Parkplatz des C-Centers in M in Folge von Unachtsamkeit beim Ausparken den dort abgestellten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen EF-GH 456 der Frau H. Er stieg zunächst aus, besah sich den Schaden und führte ein kurzes Gespräch mit dort anwesenden Zeugen. Anschließend suchte er das zuvor von ihm besuchte Casino auf und kam nach kurzer Zeit zurück, ohne den Halter bzw. Fahrer des beschädigten Fahrzeuges ausfindig gemacht zu haben. Sodann fuhr er mit seinem Pkw davon. Die herbeigerufene Polizei nahm die Beschädigungen an dem Fahrzeug der Geschädigten auf. Später kehrte der Beklagte zu dem Unfallort zurück und teilte gegenüber dem Polizeibeamten mit, dass er der Verursacher des Unfalles sei. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Übrigen zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens beantragt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 28 Abs. 2 VVG nicht ersichtlich sei, da er schließlich zur Unfallstelle zurückgekehrt sei und den Sachverhalt aufgeklärt habe. Auch das vorsätzliche Entfernen vom Unfallort führe hier nicht zur Leistungsfreiheit des Berufungsbeklagten, weil es weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Berufungsbeklagten ursächlich gewesen sei. Eine arglistige Täuschung sei ihm nicht vorzuwerfen, insbesondere sei nicht ersichtlich, dass die Obliegenheitsverletzung darauf gerichtet gewesen sei, dem Berufungsbeklagten einen Nachteil zuzufügen.
II.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Beklagten bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
1.
Zu Recht hat das Amtsgericht einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Ausgleich des von ihm regulierten Schadens aus § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB angenommen, da er im Gesamtschuldverhältnis der Parteien (§ 115 VVG) den Haftpflichtschaden der Geschädigten vollständig reguliert hat, obwohl er im Innenverhältnis zum Beklagten nach § 28 Abs. 2 und 3 VVG leistungsfrei war. Zutreffend hat das Amtsgericht ebenfalls angenommen, dass der Beklagte vorsätzlich gegen eine vertragliche Aufklärungspflicht aus dem Versicherungsvertrag verstoßen hat. Nr. E.1.3. Satz 2 der in den Versicherungsvertrag einbezogenen AKB 2008 begründet im Fall eines Schadensereignisses eine Obliegenheit, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Diese ihm obliegende Wartepflicht hat der Beklagte verletzt, da er den Unfallort verlassen hat, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Der Beklagte hat entgegen seiner Auffassung auch vorsätzlich im Sinne des § 28 Abs. 2 VVG gehandelt. Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm und umfasst auch bedingten Vorsatz, der entsprechend den allgemeinen Regeln gegeben ist, wenn der Betroffene die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Das Gebot nach einem Verkehrsunfall die Unfallaufnahme durch die Polizei an Ort und Stelle abzuwarten, stellt eine elementare, allgemeine und jedem Kraftfahrer bekannte Pflicht dar (BGH Versicherungsrecht 2000, 222). Der Beklagte ist nach Verursachung des Schadens zunächst ausgestiegen und hat das Casino aufgesucht, ohne den Halter bzw. Fahrer des beschädigten Fahrzeuges ausfindig machen zu können. Sodann ist er mit se...