Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht für eine Laderampe

 

Normenkette

BGB § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Lemgo (Entscheidung vom 10.06.2010; Aktenzeichen 17 C 65/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 08.06.2011; Aktenzeichen 4 StR 249/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.06.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lemgo wird auf ihre Kosten nach einem Gegenstandswert von 4.500,-- € zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

1.

Das Amtsgericht hat Schmerzensgeldansprüche der Klägerin zu Recht abgelehnt.

Es besteht weder ein Anspruch aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB noch aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, da die Beklagte keine ihr gegenüber der Klägerin obliegende Pflicht verletzt hat.

Die sich aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB im Rahmen der Vertragsanbahnung ergebende Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf Interessen und Rechtsgüter der Klägerin entspricht im konkreten Fall der allgemeinen, auf den Zustand ihrer Verkaufsräume bezogenen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB.

Danach war die Beklagte nicht verpflichtet, an der verwendeten Rampe einen Handlauf anzubringen.

Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage gleich welcher Art schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für einen sachkundigen Dritten die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.

Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, NJW 2008, S. 3775, 3776 m.w.N.).

a)

Es bestand keine ausdrücklich gesetzlich normierte Verpflichtung der Beklagten zur Anbringung von Handläufen an der streitgegenständlichen Rampe.

(1)

Eine solche Verpflichtung ergibt sich nicht aus § 55 Abs. 4 S. 4 BauO NRW. Die Norm enthält zwar die Verpflichtung, Rampen beidseitig mit festen und griffsicheren Handläufen zu versehen. Allerdings handelt es sich bei der nur temporär eingesetzten streitgegenständlichen Rampe nicht um eine bauliche Anlage i.S.d. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 BauO NRW, da sie keine direkte Verbindung mit dem Erdboden i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 2 BauO NRW aufweist und - anders als z.B. eine Treppe (dazu OLG Hamm, Urt. v. 28.10.1999, 6 U 29/99, NJW-RR 2000, S. 695) - auch nicht indirekt durch Verbindung mit dem Gebäude mit dem Erdboden verbunden ist. Sie ist auch kein - einer baulichen Anlage gleichstehendes - Gerüst i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 BauO NRW, da Gerüste temporäre Einbauten sind, die zur Durchführung von Bauarbeiten und Instandhaltungsmaßnahmen benötigt werden (Heintz in Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, BauO NRW, 11. Aufl. 2008, § 2 Rn. 94).

(2)

§ 67 Abs. 5 SBauVO NRW enthält - unabhängig davon, ob die SBauVO NRW im Hinblick auf die Größe der Verkaufsräume, § 59 SBauVO NRW, überhaupt anwendbar ist - nur die Verpflichtung, Treppen für Kunden beidseitig mit festen und griffsicheren Handläufen auszustatten. Eine entsprechende Verpflichtung für sonstige begehbare Flächen enthält § 11 Abs. 1 S. 1 SBauVO NRW nur für Versammlungsstätten, nicht für Verkaufsräume.

(3)

§ 3a Abs. 1 S. 1 ArbStättV, auf den die Klägerin weiterhin verweist, ist deswegen nicht einschlägig, weil die Klägerin nicht zum nach § 1 S. 1 ArbStättV geschützten Personenkreis der an der Arbeitsstätte beschäftigten Personen gehört.

b)

Auch nach den vorgenannten allgemeinen Grundsätzen war die Anbringung eines Handlaufs nicht erforderlich.

(1)

Zwar ist die Gefahr, dass ein Kunde von einer seitlich nicht abgegrenzten Rampe wie der streitgegenständli...

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