Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzspezifische Sorgfaltspflichten. Haftungsmaßstab des Insolvenzverwalters. Abschätzung einer möglichen Realisierung der Außenstände durch den Insolvenzverwalter. Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung als deutliches Warnzeichen auf die Risiken weiteren Geschäftsabschlusses
Leitsatz (redaktionell)
1. Haftungsmaßstab für den Insolvenzverwalter im Rahmen des § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO ist nur, dass er wie ein Kaufmann ex ante abschätzen muss, inwieweit eine Realisierung der Außenstände noch ernsthaft in Betracht gezogen werden kann. Insbesondere kann von einem Insolvenzverwalter nicht verlangt werden, die Bonität nach Einholung von Creditreform-Auskünften noch durch ein Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen; dies würde die Sorgfaltsanforderungen überspannen.
2. Der Insolvenzverwalter muss nicht auf die regelmäßig vorhandenen, im Allgemeinen auch bekannten Gefahren hinweisen, die Geschäfte mit der Konkursmasse, insbesondere Vorleistungen oder die Abwicklung von Verträgen, über einen längeren Zeitraum für den Vertragspartner zwangsläufig mit sich bringen.
Normenkette
InsO § 60 Abs. 1 S. 1, § 61 S. 2
Tenor
Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 1 seine außergerichtlichen Kosten und von den Gerichtskosten und den Kosten der Klägerin 5 %. Im Übrigen trägt die Kosten des Rechtsstreits die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten jeweils vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann jeweils durch Sicherheitsleistung (§ 108 ZPO) in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abgewandt werden, wenn nicht zuvor der Vollstreckende Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Bezahlung von vier Werkvertragsrechnungen für Gitterrostzubehör über insgesamt 18.283,42 EUR.
Mit Beschluss des Amtsgerichtes Dresden vom 28.9.2001 (Az. 531 IN 1589/01) wurde der Beklagte zu 2, Rechtsanwalt … zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der … GmbH (künftig: Insolvenzschuldnerin) berufen.
Mit Datum vom 10.12.2001 bestellte die Insolvenzschuldnerin bei der Klägerin Gitterroste im Wert von 5.101,90 EUR (Kl). Mit Schreiben vom 12.12.2001 erfolgte eine schriftliche Auftragsbestätigung durch den Insolvenzverwalter, der zugleich den Beschluss des Amtsgericht Dresden vom 28.9.2001 über die Insolvenzeröffnung und seine Bestellung mitteilte.
Dabei erklärte er:
Der Geschäftsbetrieb wird unter meiner Leitung und Verantwortung bis auf weiteres fortgeführt. In diesem Zusammenhang werden Waren und Leistungen benötigt.
Ich bitte Sie, die o.g. Firma gemäß Ihrem Angebot vom 11.12.01 -Angebotspreis 5.101,41 EUR zu beliefern.
Bestellungen, die ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens d.h. nach dem 01.10.2001 von der o.g. Firma ausgelöst werden, werden innerhalb der üblichen Zahlungsziele bezahlt.
Die Rechnungsstellung erbitte ich weiterhin direkt an die o.g. Firma.
Rechtsanwalt
als Insolvenzverwalter
Entsprechende Auftragsbestätigung erfolgte mit Datum vom 13.12.2001 über 5.101,90 EUR (K2a). Nach Lieferung (K3) legte die Klägerin mit Datum vom 15.1.2001 Rechnung über 5.101,90 EUR mit Zusatz: Zahlung 30 Tage netto. Zahlung erfolgte nicht.
Mit Datum 25.10.2001 bestellte die Gemeinschuldnerin Gitterroste und Zubehör bei der Kläger A (K9). Die Bestellung enthält
Den handschriftlichen Zusatz:
Bitte um Zahlungsbetätigung.
MfG (wohl Unterschrift, unleserlich)
05.11.01
und den Stempelaufdruck darunter
Diese Bestellung wird bestätigt. Die Bezahlung dieser Lieferung wird – ohne Verrechnungsmöglichkeit mit früheren Ansprüchen – zugesagt.
(handschriftlich) i.A. (wohl Unterschrift, unleserlich)
Rechtsanwalt …
als Insolvenzverwalter
Nach Auftragsbestätigung vom 6.11.2001 (K10) und Lieferung (Kll) legte die Klägerin Rechnung über 3.051,15 EUR, zahlbar 30 Tage netto (K12).
Mit Datum 25.10.2001 bestellte die Gemeinschuldnerin Gitterroststufen bei der Klägerin (K13). Die Bestellung enthält den handschriftlichen Zusatz (oben):
z. Hd. H. … zwecks Bestätigung
(wohl Unterschrift, unleserlich)
und den Stempelaufdruck darunter
Diese Bestellung wird bestätigt. Die Bezahlung dieser Lieferung wird – ohne Verrechnungsmöglichkeit mit früheren Ansprüchen – zugesagt.
(handschriftlich) i.A. Rechtsanwalt
als Insolvenzverwalter
Nach Auftragsbestätigung vom 6.11.2001 (K14) und Lieferung (K15) legte die Klägerin Rechnung über 10.009,79 EUR, zahlbar 30 Tage netto (K16).
Mit Datum 14.1.2002 bestellte die Gemeinschuldnerin Gitterroste und Zubehör bei der Klägerin (K5). Die Auftragsbestätigung (K6a) enthält den ‚Stempelaufdruck’
Diese Bestellung wird bestätigt. Die Bezahlung dieser Lieferung wird – ohne Verrechnungsmöglichkeit mit früheren Ansprüchen – zugesagt.
(handschriftlich) i.A. Reiche 16,1.02
Rechtsanwalt …
als Insolvenzverwalter
Nach Lieferung (K7) legte die Klägerin Rechnung über 120,58 EUR, zahlbar 30 Tage netto (K8).
Mängel o.a. hinsichtlich der klägerischen Leistungen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Mahnungen der Klägerin (K4a, K12 a) blieben erfolglos...