Leitsatz (amtlich)
Wird im Wiederaufnahmeverfahren zeitgleich in einem Termin über die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrages und in der Hauptsache selbst entschieden, entsteht dafür nicht die Terminsgebühr Nr. 4140 VV RVG sondern die entsprechende Hauptverhandlungsterminsgebühr.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verteidigers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden vom 28.03.2012 (201 Ls 302 Js 50794)08) wie folgt abgeändert:
Die von der Staatskasse an den Verteidiger, Rechtsanwalt Andreas Martin Kohn, zu erstattenden Kosten werden auf 323,09 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2010 festgesetzt.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen und der Festsetzungsantrag zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Mit Verfügung vom 13.10.2008 beantragte die Staatsanwaltschaft Chemnitz die Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens gegen den Verurteilten, da eine Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Chemnitz in zwei weitere gerichtliche Entscheidungen rechtskräftig einbezogen worden war. Mit Beschluss vom 23.12.2008 entschied das Amtsgericht Dresden, dass das Verfahren antragsgemäß wieder aufgenommen wird und ordnete mit Beschluss vom 13.03.2009 dem Verurteilten Rechtsanwalt Kohn als Pflichtverteidiger bei.
Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung wurde bestimmt auf Mittwoch, den 15.07.2009.
Unter der Überschrift "Wiederaufnahmeverfahren" führte das Amtsgericht Dresden schließlich an diesem Tag eine Hauptverhandlung durch und entschied wie folgt:
"1.
Das Verfahren 16 Ls 750 Js 1873/07 wird wieder aufgenommen. Das Urteil des Amtsgerichts Chemnitz - Schöffengericht - vom 20.02.2008 wird aufgehoben. Die mit Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 25.09.2007, Az.: 16 Ls 660 Js 25617/07, verlängerte Freiheitsstrafe ist verbüßt.
2.
Der Angeklagte X. ist schuldig des Betrugs in 2 Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, der Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis.
3.
Der Angeklagte wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.
4.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt."
Der Verteidiger beantragte zuletzt mit Schriftsatz vom 14.02.2012 die Festsetzung folgender Gebühren:
1. VV 4138 |
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2. VV 4101 |
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3. VV 4107 |
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4. VV 4108 |
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5. VV 7000 (121 Kopien aus Verfahrensakte) |
171,25 Euro |
202,50 Euro |
171,25 Euro |
230,00 Euro |
35,65 Euro |
6. VV 7002 (Wiederaufnahmeverfahren) |
20,00 Euro |
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7. VV 7002 (Hauptverfahren) |
20,00 Euro |
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8. VV 7003 2 Besuche in JVA Zeithain und Besuch in Dresden 400 km x 0,30 Euro/km |
120,00 Euro |
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9. VV 7005 2 x Nr. 2 1 x Nr. 3 |
75,00 Euro |
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10. Zwischensumme netto |
1.045,65 Euro |
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11. VV 7008 19% |
198,67 Euro |
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12. abzgl. gezahlter Pflichtverteidigervergütung |
- 680,26 Euro |
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13. Festsetzungsbetrag |
564,06 Euro |
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Mit Beschluss vom 28.03.2012 setzte das Amtsgericht Dresden die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf 95,50 Euro fest und führte bezüglich seiner Abweichung von dem Kostenfestsetzungsantrag aus, dass Gebühren nach VV 4107 und VV 4101 nicht erstattungsfähig seien. Die geltend gemachte Gebühr nach VV 4108 wurde von Amts wegen in eine Gebühr nach VV 4140 RVG umgedeutet; die Gebühr gemäß VV 7002 RVG könne nur einmal anfallen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verteidigers, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wurde. Die Staatskasse hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
1. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Dresden hat der Verteidiger des Verurteilten nicht nur einen Anspruch auf Festsetzung der zu erstattenden Kosten in Höhe von 95,50 Euro, sondern in Höhe von insgesamt 323,09 Euro.
Von der gesetzgeberischen Grundkonzeption ist das Wiederaufnahmeverfahren gemäß der §§ 359 ff. StPO in drei Verfahrensschritte aufgeteilt, nämlich dem Aditionsverfahren gemäß der §§ 359 bis 368 StPO, dem Probationsverfahren gemäß der §§ 369 bis 372 StPO sowie der Durchführung einer erneuten Hauptverhandlung gemäß § 373 StPO.
Der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 23.12.2008 ist deshalb dahingehend auszulegen, dass hier über die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens an sich entschieden wurde. Demgegenüber wurde - was zunächst eher ungewöhnlich ist - über die Begründetheit der Wiederaufnahme in einem Termin ebenso entschieden wie über die Sache selbst, letztlich nach Durchführung einer Beweisaufnahme. Unzulässig ist dies jedoch zumindest nicht, da ein Gericht über die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrages auch ohne neue Beweisaufnahme im Sinne des § 369 StPO entscheiden kann, wenn sich - wie hier - die Begründetheit des Antrages ohne Weiteres aus einem rechtskräftigen Urteil bzw. gerichtlichen Urkunden ergibt (vgl. hierzu auch Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 369 Rn. 2).
Demgegenüber ist in § 17 Nr. 12 RVG geregelt, dass im Sinne des Gebührenrechts da...