Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge sind nach § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV nicht mehr der Insolvenzanfechtung ausgesetzt. Möglichkeit der Insolvenzanfechtung von Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträgen nach § 28 e Abs. 1 S. 2 SGB IV. Begründung von Verzug durch neue oder geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung zugunsten eines Gläubigers
Normenkette
SGB IV § 28e Abs. 1 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung (§ 108 ZPO) in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit (§ 108 ZPO) in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird bis 21.01.2010 auf 6.827,82 EUR festgesetzt, für die Zeit danach auf 603,93 EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten nach erfolgter Klagerücknahme in der Hauptsache über die Verfahrenskosten und über vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, die nach vorgenannter Rücknahme zur Hauptsache erhoben wurden und streitig geblieben sind.
Auf Antrag der Beklagten, einer bedeutenden örtlichen Einzugsstelle für Sozialversicherungsbeiträge, und eines am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten (K2) eröffnete das Amtsgericht Chemnitz mit Beschluß vom 26.03.2009 (K1) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. (Insolvenzschuldnerin) und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Die Beklagte hatte von der Insolvenzschuldnerin rückständige Sozialversicherungsbeiträge erhalten wie folgt
am |
Betrag EUR |
Art der Zahlung |
12.09.2008 |
7.616,21 |
Überweisung vom Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin |
02.10.2008 |
1.000,00 |
Überweisung vom Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin |
15.10.2008 |
4.000,00 |
Einzahlung auf das Konto der Beklagten |
|
12.616,21 |
|
Mit Schreiben vom 12.06.2009 focht der Kläger diese Zahlungen an.
Die Beklagte kündigte unter dem 15.06.2009 (K3) an, den Betrag in Höhe von 5.788,39 EUR (gezahlte Arbeit geber anteile) an die Insolvenzmasse auszuzahlen – was dann auch erfolgte. Im Hinblick auf den Restbetrag in Höhe von 6.827,82 EUR erklärte sie, es liege keine insolvenzrechtliche Gläubigerbenachteiligung vor, weil es sich insoweit um die Arbeit nehmer anteile der Sozialversicherungsbeiträge handele (§ 28 e Abs. 1 Satz 2 SGB IV).
Mit Schriftsatz vom Freitag, 04.12.2009 (K4), forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 05.11.2009 (IX ZR 233/08) zur Zahlung auch des Restbetrages in Höhe von 6.827,82 EUR sowie – aufgrund Verzuges – seiner dem Schreiben beigefügten Kostennote in Höhe von 603,93 EUR auf.
Die Beklagte verwies mit Schreiben vom Mittwoch, 09.12.2009, darauf, daß die vorbenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes mit Gründen erst am 24.11.2009 veröffentlicht worden ist. Sie bat um Verständnis, vorerst keine Rückzahlung der angefochtenen Arbeitnehmeranteile vornehmen zu können. Derzeit erfolge noch eine rechtliche Bewertung des Urteils. Sie bat um eine Fristverlängerung bis Freitag, 15.01.2010.
Am Dienstag, 29.12.2009, ging die Klageschrift bei Gericht als Fernkopie ein, am Montag, 04.01.2010 im Original nebst Schriftsatzdoppeln. Die Landesjustizkasse teilte mit Zahlungsanzeige vom 19.01.2010 Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses mit (Einzahlungstag 14.01.2010).
Unter dem 21.01.2010 ordnete das Gericht schriftliches Vorverfahren an. Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz teilte der Kläger per Fernkopie mit, daß die Beklagte am 15.01.2010 die Hauptforderung in Höhe von 6.827,82 EUR bezahlt habe. Er erklärte, die Klage insoweit zurückzunehmen, und beantragte, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Beklagte habe sich mit ihrer Zahlungsverpflichtung in Verzug befunden. Die Gerichtskosten seien am 13.01.2010 überwiesen worden. Bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltsgebühren, Klageantrag 2, sei die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Klageschrift wurde der Beklagten am 27.01.2010 zusammen mit der vorgenannten Klagerücknahmeschrift zugestellt.
Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe Veranlassung zur Klage gegeben. Sie habe mit ihrem Schreiben vom 15.06.2009 mitgeteilt, keine Auszahlung an die Insolvenzmasse vorzunehmen. Ab diesem Zeitpunkt habe sie sich im Verzug befunden.
Hierauf sei sie mit anwaltlichem Schreiben vom 04.12.2009 aufgefordert worden, den streitgegenständlichen Betrag binnen angemessener Frist, bis 14.12.2009, zur Anweisung zu bringen. Dies belege, daß die noch geltend gemachten anwaltlichen Gebühren angefallen seien und Klageeinreichung nach einem fruchtlosen Fristablauf geboten gewesen sei bzw. ein Rechtsschutzinteresse für eine Klageeinreichung bestanden habe. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes sei von der Komplexität sehr begrenzt und einfach zu verstehen.
Der Kläger hatte ursprünglich beantragt,