Leitsatz (amtlich)
Der als Zeugenbeistand beigeordnete Rechtsanwalt hat auch dann einen Festsetzungs- und Vergütungsanspruch aus § 45 Abs. 3 RVG analog, wenn die Beiordnung gemäß §§ 161a Abs. 1 S. 2, 163 Abs. 3 S. 2, 68b StPO durch die Staatsanwaltschaft erfolgt.
In diesem Fall ist für die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft zuständig, dessen Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 56 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erinnerung angegriffen werden kann.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf EUR 304,64 festgesetzt.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung.
Der Beschwerdeführer wurde auf Anordnung der Staatsanwaltschaft dem Zeugen O. im Ermittlungsverfahren gegen K. gemäß §§ 68b Abs. 2, 161a Abs. 1 S. 2, 163 Abs. 3 S. 2 StPO als Zeugenbeistand beigeordnet und der Zeuge wurde in Anwesenheit des Beschwerdeführers am 5. Mai 2011, 14:10 bis 14:45 Uhr vernommen. Das Verfahren gegen K. stellte die Staatsanwaltschaft in der Folgezeit gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.
Der Beschwerdeführer hat am 5. Mai 2011 bei der Staatsanwaltschaft die Festsetzung der Vergütung als Zeugenbeistand und die Erstattung eines Betrages in Höhe von EUR 256,00 zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer in Höhe von EUR 48,64 beantragt. Den Antrag hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 12. September 2011 zurückgewiesen. Die hiergegen am 14. Oktober 2011 erhobene Erinnerung des Beschwerdeführers hat das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - zurückgewiesen und der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht ist in mehreren Stellungnahmen dem Antrag des Beschwerdeführers entgegengetreten. Er vertritt die Auffassung, dass die einschlägigen Vergütungsbestimmungen einen Anspruch gegen die Landeskasse nur im Falle einer gerichtlichen Bestellung als Zeugenbeistand gewährten.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg.
Sie ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Das Landgericht ist für die Entscheidung über die Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 2 RVG zuständig. In entsprechender Anwendung des § 55 Abs. 1 S. 2 RVG war der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft für die Entscheidung über den Festsetzungsantrag zuständig. Für die Entscheidung über die Erinnerung war nach § 56 RVG analog der Ermittlungsrichter des Gerichts zuständig, in dessen Bezirk die Festsetzung erfolgt ist. Die Vorschriften der §§ 55, 56 RVG enthalten eine Regelungslücke für die Fallgestaltung, dass die Beiordnung zum Zeugenbeistand durch die Staatsanwaltschaft erfolgte. Die Auslegung des § 55 RVG ergibt, dass in einem solchen Fall für die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamte der Staatsanwaltschaft zuständig ist. Denn insbesondere aus § 55 Abs. 2 und 7 wird ersichtlich, dass die Kostenfestsetzung durch die Stelle erfolgt, die die Bestellung des Verteidigers oder Beistandes veranlasst hat (LG Essen, Beschluss vom 8. Juli 2011 - 22 AR 5/11). Ebenso wie gerichtliche Festsetzungsentscheidungen sind die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft in entsprechender Anwendung des § 56 RVG gerichtlich im Wege der Erinnerung und Beschwerde überprüfbar.
Die Beschwerde ist begründet. Der Beschwerdeführer hat einen Festsetzungs- und Vergütungsanspruch aus § 45 Abs. 3 RVG analog. Nach ihrem Wortlaut gilt die Vorschrift nur für den Fall der gerichtlichen Beiordnung. Vor dem Inkrafttreten des zweiten Opferrechtsreformgesetzes am 1. Oktober 2009 war in der alten Fassung der §§ 68b S. 3, 141 Abs. 4 StPO für die Beiordnung allein, also auch im Falle einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung (§ 161a Abs.1 S.2 StPO a.F.), der Vorsitzende des Gerichts zuständig, das für das Hauptverfahren zuständig oder bei dem das Verfahren anhängig war. Nach der Neufassung der StPO durch das zweite Opferrechtsreformgesetz kann die Entscheidung nun die Staatsanwaltschaft selbst treffen (§§ 161a Abs. 1 S. 2, 163 Abs. 3 S. 2 StPO). Das Opferrechtsreformgesetz brachte zwar auch Folgeänderungen im RVG. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/12098) ist indes nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber an dem bislang bestehenden Vergütungsanspruch beigeordneter Zeugenbeistände etwas ändern wollte, nur weil diese im Ermittlungsverfahren nicht mehr durch das Gericht beigeordnet werden müssen. Der Gesetzesbegründung lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Gesetzgeber auch an eine Übertragung der Beiordnungsbefugnis an die Polizei gedacht, eine solche jedoch verworfen hat, weil eine solche Entscheidung mit Kostenfolgen verbunden ist (BT-Drucks. 16/12098, S. 27). Vor diesem Hintergrund ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber von Kostenfolgen bei der Beiordnung eines Zeugenbeistandes durch die Staatsanwaltschaft ausging und die Anpassung der entspre...