Nachgehend

BGH (Beschluss vom 29.05.2012; Aktenzeichen 3 StR 156/12)

 

Tenor

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach dem am ….1965 geborenen und am ….2007 verstorbenen … Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.04.2008 (Datum der Rechtshängigkeit) zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der unter 1. genannten Erbengemeinschaft sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die im Anschluss an die Operation vom 09.05.2007 aufgrund des Unterlassens weiterer diagnostischer Maßnahmen in der Nacht vom 10.05.2007 nach Fehlen des Fußpulses sowie in dieser Nacht aufgrund der verzögert vorgenommenen Verlegung in eine gefäßchirurgische Abteilung entstanden sind oder entstehen werden, sofern die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die unter 1. genannte Erbengemeinschaft gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin von der Zahlung der nach dem RVG nicht konsumierten außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 3.360,92 EUR freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen 67 % die Klägerin selbst, 33 % die Beklagte zu 1). Von den außergerichtlichen Kasten der Beklagten zu 1) tragen 67 % die Beklagte zu 1) selbst, 33 % die Klägerin. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2).

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt als einer der Erben Ihres verstorbenen Ehemannes … (im Folgenden: Patient) sowie aus eigenem Recht die Beklagten als Gesamtschuldner aus ärztlichem Behandlungsvertrag in Anspruch. Die Beklagte zu 1) betreibt das …. Der Beklagte zu 2) ist Orthopäde und Belegarzt bei der Beklagten zu 1). Der 1965 geborene und 2007 verstorbene Patient wurde im Krankenhaus der Beklagten zu 1) stationär vom 07.02. bis 14.02.2007 und vom 05.05. bis 30.05.2007 behandelt.

Der Patient wurde am 07.02.2007 wegen eines diskogenen Schmerzsyndroms (d.h. anhaltender bandscheibenbedingter Schmerz) stationär aufgenommen. Er wurde am 07.02.2007 durch den Beklagten zu 2) als Belegarzt operiert. Bei der Operation wurden durch einen linksretroperitonealen Zugang (d.h. Umgehung des Bauchraums von seitlich) zwei Kunststoff-Inlay-Bandscheibenprothesen in L4/5 und L5/S1 implantiert. Im Verlauf der Operation kam es zu einer linksseitigen Verletzung der Vena cava inferior (d.h. untere Hohlvene, ein kraftiges Blutgefäß im Brust- und Bauchraum), die mit einer Naht versorgt wurde. Eine postoperative Blutungsanämie (d.h. Blutarmut) trat ein. Diese wurde mit zwei Erythrozyfen-Konzentraten behandelt. Kurzzeitig trat ein Hämatom auf. Der Patient wurde am 14.02.2007 in die fachärztliche weitere ambulante Behandlung entlassen, die von der Praxisgemeinschaft des Beklagten zu 2) durchgeführt wurde.

Am 04.05.2007 kam der Patient beim Fußballspiel zu Fall und erlitt leichte Schmerzen im Rücken. Deswegen stellte er sich am 05.05.2007 in der orthopädischen Ambulanz der Beklagten zu 1) vor. Ein Röntgenbild zeigte eine vollständige Luxation (d.h. Herausrutschen) beider Inlays. Der bei der Beklagten zu 1) angestellte Oberarzt … dem Patienten zu einer operativen Revision. Der Patient wurde am 08.05.2007 stationär aufgenommen. Er wurde vom Beklagten zu 2) aufgeklärt. Er wurde am 09.05.2007 vom Beklagten zu 2) sowie dem Oberarzt … und dem Zeugen … operiert. Bei der Operation war ein Vertreter der Herstellerfirma der Prothetik, der Firma C. H., anwesend. Die Operation gestaltete sich aufgrund von Verwachsungen schwierig. Die Seite des OP-Zugangs wurde sowohl von einem rechtsretroperitonealen Zugang intraoperativ als auch linksretroperitoneal versucht. Um 17.00 Uhr hatte der Patient weniger als 2.500 ml Blut verloren. Bis 18,00 Uhr hatte er insgesamt 4.000 ml Blut verloren. Während der Operation wurde auf telefonische Anfrage der gefäßchirurgische Oberarzt … – ab etwa 18.30 Uhr – aus dem … ankenhaus hinzugezogen. Bei der über 10 Stunden (11.00 Uhr bis 21.15 Uhr) dauernden Operation verlor der Patient insgesamt 5.500 ml Blut. Nach der Operation wurde der Patient zunächst weiter im Krankenhaus der Beklagten zu 1) behandelt, auf der Intensivstation von der dortigen Ärztin … und dem Arzt …. Eine Visite fand um 22.30 Uhr statt. Der Patient klagte in der Nacht zum 10.05.2007, gegen 0.00 Uhr, über Schüttelfrost, Taubheitsgefühl im Bein, Schmerzen und Steifheit, zudem über Kältegefühle im Bein und Lähmungserscheinungen. Der Oberarzt … wurde gegen 1.30 Uhr hinzu gerufen. Ein Puls im Bein war gegen 1.30 Uhr nicht mehr feststellbar. Die Beine schwollen an. Der Patient wurde am 10.05.2007 um 3.00 Uhr nachts mit der Verdachtsdiagnose Bifurkationsverschluss (d.h. an der Aufzweigung von Blutgefäßen) in die G...

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