Leitsatz (amtlich)
Die Ortsferne des Kanzleisitzes des Verteidigers steht der Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger nicht entgegen, wenn nicht ersichtlich ist, dass hierdurch eine sachdienliche Verteidigung des Angeklagten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gefährdet würden
Zur Bestellung eines Pflichtverteidiger, wenn ggf. die Subsumtion des Sachverhalts unter die Voraussetzungen des § 268 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB Schwierigkeiten bereitet, wenn in rechtlicher Hinsicht umstritten ist, unter welchen konkreten Voraussetzungen von einer störenden Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang eines EG-Fahrtenschreibers auszugehen ist.
Verfahrensgang
AG Duisburg (Entscheidung vom 18.07.2012) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 24.07.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 18.07.2012 aufgehoben. Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt Matthias Klunka aus Minden als. Pflichtverteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 18.07.2012 ist nach § 304 Abs. 1 StPO zulässig.
Sie ist auch begründet. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme der Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Tat auch nach Maßgabe der erforderlichen Berücksichtigung sämtlicher schwerwiegender Nachteile über die reine Straferwartung hinaus tatsächlich ausscheidet (vgl. speziell für Verkehrsdelikte etwa Moltekin, NZV 1989, 93 sowie LG Mainz, NZV 2009, 404 f.). Der Vorsitzende des Gerichts bestellt dem Angeklagten nämlich auch dann einen Verteidiger, wenn wegen der Schwierigkeit der Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint (§ 140 Abs. 2 Satz 1 StPO). Die Rechtslage ist wiederum schwierig, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt, oder aber, wenn die Subsumtion unter die anzuwendende Vorschrift des materiellen Rechts Schwierigkeiten bereiten wird (vgl. KG, NJW 2008, 3449; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 140 Rn. 27a).
So liegt es indes im vorliegenden Fall. Die Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 268 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB bereitet vorliegend Schwierigkeiten, da in rechtlicher Hinsicht durchaus umstritten ist, unter welchen konkreten Voraussetzungen von einer störenden Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang eines EG-Fahrtenschreibers auszugehen ist (vgl. zum Streitstand etwa BayObLGSt 2001, 57 ff.). Die stattgehabte Manipulation durch Aufsetzen eines Magneten auf den Kitas-Geber an der Getriebeausgangswelle zwecks Beeinflussung der Steuerleitung am Impulsgeber ist in der vorhandenen veröffentlichten Rechtsprechung - soweit ersichtlich - noch nicht unter den Voraussetzungen des § 268 Abs. 1, Abs. 3 StGB beurteilt worden. Entscheidend wird es dabei auf die zu klärende Rechtsfrage ankommen, ob es sich lediglich uni eine - nicht tatbestandliche - Fremdbetätigung des technischen Gerätes handelt, die die Funktionsweise selbst nicht beeinträchtigt, oder aber - wofür aus Sicht der Kammer einiges spricht -, ob es aufgrund von Umständen, die außerhalb seiner Funktionsweise liegen, nicht so bedient werden darf und der Sachverhalt insoweit mit den bereits obergerichtlich entschiedenen Fällen des Verbiegens des Geschwindigkeitsschreibers bzw. des eigenhändigen Versteilens der Zeituhr des Kontrollgerätes vergleichbar ist (vgl. im Einzelnen BayObLGSt 2001, 57 mwNw.).
Dabei wird das Amtsgericht - unabhängig von der hier nicht zu entscheidenden Frage der gleichzeitigen Schwierigkeit der Sachlage gem. § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO - tatsächlicher Hinsicht zu prüfen haben, ob nicht ein Sachverständiger zu Klärung der tatsächlichen technischen Zusammenhänge hinzuzuziehen ist.
Die Ortsferne des Kanzleisitzes des Verteidigers steht vorliegend der Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts nicht entgegen, da nicht ersichtlich ist, dass hierdurch eine sachdienliche Verteidigung des Angeklagten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gefährdet würden (vgl. etwa OLG Thüringen, NStZ 2009, 175). Im Bestellungsverfahren tritt der Gesichtspunkt der Ortsnähe im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nämlich grundsätzlich hinter dem besonderen Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zu seinem Verteidiger zurück, das auf der Grundlage der Ausführungen im Schriftsatz vom 10.07.2012 anzunehmen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
StRR 2012, 402 |
VRR 2012, 403 |