Entscheidungsstichwort (Thema)
Graphologie. Handschriftenvergleich. Schriftgutachten. Schriftsachverständige
Leitsatz (amtlich)
Zur Überzeugungskraft eines Schriftsachverständigengutachtens
Verfahrensgang
AG Oberhausen (Entscheidung vom 04.03.2010; Aktenzeichen 6 VI 732/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 04.03.2010 - 6 VI 732/08 - aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, der Antragstellerin entsprechend ihrem Antrag vom 24.09.2008 einen Alleinerbschein zu erteilen.
Die in erster Instanz entstandenen Gerichtskosten werden den Beteiligten zu 4. und 5. je zur Hälfte auferlegt. Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten werden dem Beteiligten zu 5. auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Der Geschäftswert wird auf 56.358,95 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die Ehefrau des Erblassers, begehrt die Erteilung eines Alleinerbscheins nach einem handschriftlichen Testament (Bl. 5 der Testamentsakte AG Oberhausen - 6 IV 574/08), in dem sie als alleinige Erbin benannt ist. Das Testament ist auf den 15.10.1990 datiert, wurde aber unstreitig erst nach Einführung der neuen Postleitzahlen am 01.07.1993 errichtet. Nachdem die Beteiligten zu 4. und 5. die Echtheit des Testaments bestritten haben, hat das Amtsgericht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens und mündliche Anhörung des Sachverständigen , der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Authentizität des fraglichen Testaments mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verifiziert werden könne und das Testament mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht authentisch sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten vom 29.06.2009 (Bl. 76 ff. d. A.) und das Sitzungsprotokoll vom 12.01.2010 (Bl. 148 ff. d. A.) verwiesen.
Mit Beschluss vom 04.03.2010 (Bl. 167 ff. d. A.) hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die bereits aufgrund der offensichtlich falschen Datierung des Testaments bestehenden Zweifel an dessen Echtheit hätten durch das Gutachten und die Anhörung des Sachverständigen nicht ausgeräumt werden können. Auf die Beschwerde der Antragstellerin (Bl. 193 ff. d. A.) hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. und mündliche Anhörung der Sachverständigen und Dr. . Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 30.12.2010 (Anlagenheft zu Bl. 306 d. A.) und das Sitzungsprotokoll vom 09.09.2011 (Bl. 381 ff. d. A.) Bezug genommen.
II.
Die gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG i. V. m. §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 2 FGG a. F. statthafte - und auch im Übrigen zulässige - Beschwerde der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Erbscheinsantrags ist begründet. Die Antragstellerin ist aufgrund des auf den 15.10.1990 datierten Testaments Alleinerbin des Erblassers geworden. Die Kammer ist aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. der festen Überzeugung, dass der Erblasser dieses Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben hat.
1.
Anhaltspunkte für eine technische Manipulation (z. B. Kopieren, Abpausen etc.) haben weder der Sachverständige Dr. noch der Sachverständige gefunden. Mithin steht fest, dass es sich bei dem Testament um eine Originalschrift handelt. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Unterschrift von einer anderen Person stammen könnte als die Textschrift des Testaments. Auch in diesem Punkt waren sich beide Sachverständige einig.
2.
Der Sachverständige Dr. ist in seinem Gutachten in überzeugender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass sowohl die Unterschrift und die Namensniederschriften als auch die Textschrift mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (99,99 %) vom Erblasser eigenhändig gefertigt wurden, so dass für die alternative Entstehungshypothese einer vorlagenorientierten Nachahmungsfälschung kein Raum bzw. lediglich eine an Unmöglichkeit grenzende Wahrscheinlichkeit (0,01 %) bleibt.
a) Die fachliche Qualifikation des Sachverständigen Dr. , der der Kammer bereits aus anderen Nachlassverfahren bekannt ist, steht für die Kammer außer Zweifel. Herr Dr. ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Handschriftenvergleich, und aufgrund seiner fundierten wissenschaftlichen Ausbildung auf dem Gebiet der Schriftvergleichung bei Prof. Dr. an der Universität und seiner langjährigen Tätigkeit als Leiter des kriminalwissenschaftlichen Referats beim Zollkriminalamt in in besonderer Weise für schriftvergleichende Untersuchungen qualifiziert.
b) Die - auf einen breiten Fundus an Vergleichsmaterial (vgl. S. 4-7 des Gutachtens) gestützte - schriftvergleichende Untersuchung des Sachverständigen Dr. ergab im vorliegenden Fall durchgehend übereinstimmende Befunde von teilweise hoher Spezifität sowie analoge Variationen. Die Auswahl des herangezogenen Vergleichsmaterials ist nicht zu beanstanden. Die Kammer hält es insbesondere für sachgerecht, dass der Sachverständige ...