Entscheidungsstichwort (Thema)

Strom. Stromsperre. Stromverbrauch. Stromversorgung. Stromzähler. Verbrauch

 

Leitsatz (amtlich)

Bestreitet der Stromkunde die Richtigkeit des in einer Rechnung zugrunde gelegten Stromverbrauchs, ist er nur unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StromGVV zur Zahlungsverweigerung berechtigt. In allen anderen Fällen bleibt die Klärung von etwaigen Fehlern bei der Verbrauchsermittlung einem Rückforderungsprozess des Kunden vorbehalten.

Maßstab für den hiernach anzustellenden Vergleich mit dem vorherigen Abrechnungszeitraum kann nur ein tatsächlich, d. h. durch Ablesung und nicht lediglich durch Schätzung, ermittelter Verbrauch sein.

Bei einer auf die Duldung der Einstellung der Stromversorgung durch Ausbau des Stromzählers gerichteten Klage besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Gestattung der Hinzuziehung eines Gerichtsvollziehers, da die Zwangsvollstreckung sich ausschließlich nach § 890 ZPO richtet.

 

Normenkette

StromGVV § 17 Abs. 1 S. 2, § 19 Abs. 2 S. 4

 

Verfahrensgang

AG Mülheim a.d. Ruhr (Entscheidung vom 03.08.2011; Aktenzeichen 12 C 2561/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03.08.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr (Az. 12 C 2561/10) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, einem mit einem Ausweis versehenen Beauftragten des zuständigen Netzbetreibers, , , , der durch die Klägerin beauftragt wird, Zutritt zu der Abnahmestelle , , zu gestatten und die Einstellung der Stromversorgung durch Ausbau des Stromzählers Nr. zu dulden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 2.808,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 55 ff. d. A.). Im Übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat im Wesentlichen Erfolg.

1.

Die Berufung ist zulässig.

Insbesondere ist die Klägerin durch die angefochtene Entscheidung in ausreichendem Umfang beschwert, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Insoweit folgt die Kammer der - vom Beklagten nicht angegriffenen - Berechnung in der Berufungsbegründung, wonach die Beschwer der Klägerin dem 6-fachen Monatsbetrag der festgesetzten Vorauszahlungen des Beklagten entspricht (6 x 468,00 € = 2.808,00 €). Denn der Klägerin geht es nicht um den Besitz des Zählers, sondern darum, zu verhindern, dass der Beklagte in Zukunft weiterhin ohne entsprechende Gegenleistung Strom entnimmt (vgl. OLG Köln, ZMR 2006, 208; OLG Braunschweig, NJW-RR 2006, 1584; OLG Schleswig, NJW-RR 2010, 141; OLG Brandenburg, RdE 2010, 229; OLG Oldenburg, NZM 2010, 135; OLG Hamburg, NZM 2011, 792).

2.

Die Berufung ist auch im Wesentlichen begründet.

a)

Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 i. V. m. S. 4 StromGVV einen Anspruch darauf, die Einstellung der Stromversorgung durch Ausbau des streitgegenständlichen Stromzählers zu dulden.

aa)

Gemäß § 19 Abs. 2 S. 4 StromGVV darf der Grundversorger eine Unterbrechung der Grundversorgung wegen Zahlungsverzuges durchführen lassen, wenn der Kunde nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 100,00 € in Verzug ist. Bei der Berechnung der Höhe dieses Betrages bleiben gemäß § 19 Abs. 2 S. 5 StromGVV diejenigen nicht titulierten Forderungen außer Betracht, die der Kunde form- und fristgerecht sowie schlüssig begründet beanstandet hat. Gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 StromGVV berechtigen Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, (1.) soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder (2.) sofern der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.

Die Klägerin berühmt sich aus dem streitgegenständlichen, unter der Kunden-Nr.

geführten Vertrag einer nicht titulierten Forderung in Höhe von 6.753,55 €, die sie auf die Jahresrechnung vom 11.07.2010 (Bl. 24 ff. d. A.) und die in der Folgezeit angefallenen Abschlagszahlungen stützt. Diese Forderung hat der Beklagte nicht nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 S. 2 StromGVV schlüssig begründet beanstandet. Der Beklagte hat ausschließlich die Richtigkeit des in der Rechnung zugrunde gelegten Stromverbrauchs bestritten. Hieraus kann - entgegen der Ansicht des Amtsgerichts - die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StromGVV nicht hergeleitet werden. Bei zutreffendem Verständnis der Norm zeigt bereits die...

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