Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeld. Fehlverhalten. Organisation im Krankenhaus bei der Geburt eines Kindes. Übertragung des ungeborenen Kindes
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, §§ 847, 831
Tenor
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000,00 DM (i. W.: dreihundertausend Deutsche Mark) zu zahlen.
2.
Wegen des weitergehend bezifferten Klageantrages (Antrag zu Ziffer 2 der Klageschrift vom 21.08.1995) wird die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Ereignis vom 28.08.1992 ab dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in diesem Rechtsstreit entstehen wird, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergeht.
4.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
5.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wurde am 28.08.92 im Krankenhaus der Beklagten in F geboren. Er leidet seit der Geburt an einer zerebralen Schwerstschädigung. Es besteht eine Spannungsathetose, ein Anfallsleiden und eine Sehschwäche bei Microzephalus (abnorme Kleinheit des Kopfes). Der Kläger kann sich willkürlich praktisch nicht bewegen, weder Hände noch Beine. Die Kopfkontrolle ist gering. Es bestehen beidseits Pfannendysplasien mit ausgeprägtem Pfannenerker. Der Kläger kann nicht schlucken und wird durch Sonden ernährt. Die Parteien streiten darüber, ob dieser Zustand auf Behandlungsfehler im Hause der Beklagten vor und während der Geburt zurückzuführen ist.
Die Schwangerschaft der Mutter des Klägers war durch deren behandelnden Arzt Dr. N am 19.12.91 festgestellt worden. Dr. N errechnete als Geburtstermin den 09.08.92. Abgesehen von einer mit Penicillin erfolgreich behandelten Pyelonephritis am 29.06.92 war der Schwangerschaftsverlauf unauffällig. Ultraschall und Kardiotokographien (Zeichnungen der fetalen Herzschlagfrequenz und der Wehentätigkeit; CTG) zeigten in der Zeit vom 09.01. bis 31.07.92 keine Auffälligkeiten. Am 07.08.92 überwies Dr. N die Mutter des Klägers an die gynäkologische Abteilung der Beklagten. Sie wurde dort zunächst ambulant betreut. Untersuchungen fanden statt am 13.08., 15.08. und 19.08.1992, nach der Behauptung der Beklagten auch am 17.08.92.
Am 19. und 20.08.92 wurde die Kindesmutter stationär betreut. Es wurden kardiotokographische Untersuchungen, Ultraschall und vaginale Untersuchungen durchgeführt. Sodann korrigierte die Beklagte den voraussichtlichen Geburtstermin von dem von Dr. N errechneten Datum 09.08.92 auf den 16.08.92. Am 20.08.92 wurde die Kindesmutter wieder in die ambulante Betreuung entlassen.
Die endgültige stationäre Aufnahme erfolgte am 26.08.92 wegen leichter unregelmäßiger Kontraktionen. Bei der Aufnahme wurden weitere ambulante Untersuchungen, insbesondere CTG-Aufnahmen und später ab 22.08.92 Fruchtwasserspiegelungen (Amnioskopien) durchgeführt.
Am 27.08.92 gegen 14.00 Uhr setzten bei der Mutter des Klägers die Wehen ein. Sie wurde um 16.00 Uhr in den Kreißsaal verlegt und an das Dauer-CTG angeschlossen. Dort wurde sie in den folgenden Stunden allein von dem Arzt im Praktikum I., der noch kein Facharzt war, und einer Hebamme betreut. Um 22.55 Uhr platzte die Fruchtblase und es trat grünlich-gelbliches Fruchtwasser aus. Ab 23.10 Uhr traten stärkere, gegen 23.20 Uhr gravierende Dezelerationen auf. Erst gegen 24.00 Uhr wurde der Oberarzt verständigt. Bis zu diesem Zeitpunkt lag die Versorgung der Kindesmutter ausschließlich in den Händen des Arztes I. und der Hebamme. Bei Verschlechterung des CTG und drohender fetalen Ashyxie (Atemdepression infolge Herzkreislaufversagen) wurde um 1.00 Uhr mit der Vorbereitung der Vakuum-Extraktion begonnen. Das OP-Personal wurde in Sectiobereitschaft versetzt. Gegen 1.10 Uhr wurde die Vakuumglocke angelegt. Um 1.48 Uhr wurde der Kläger dann nach 38 Minuten dauernder Vakuumextraktion geboren.
Der Zustand des Klägers war derart schlecht, dass er um 2.10 Uhr zur weiteren pädiatrischen Betreuung an das L in F gegeben wurde. Dort verblieb er stationär bis zum 30.09.1992.
Der Kläger wirft der Beklagten schwerste Fehler in der Organisation der Geburt und der geburtshilflichen Betreuung der Kindesmutter durch die behandelnden Ärzte vor.
Er behauptet, der richtige Geburtstermin sei, wie von Dr. N festgestellt, der 09.08.92 gewesen, so dass er zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme am 26.08.92 eindeutig übertragen gewesen sei. Schon am 19.08.92 sei diese erhebliche Übertragung feststellbar gewesen. Bereits an diesem Tage hätte auch eine Wehenschwäche der Mutter des Klägers in Betracht gezogen und die Geburt eingeleitet werden müssen. Ein unbedingt erforderlicher Oxytocienbelastungstest zur Früherkennung eines kindlichen Sauerstoffmangels sei unterlassen worden. Entsprechendes gelte erst recht für den Tag der stationären Aufnahme am 26.08.92. Die Beklagte hätte sich a...