Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der "Wohnung" iSd BGB § 564 b Abs 4

 

Orientierungssatz

Eine Wohnung liegt vor, wenn Toilette, Wasserversorgung, Ausguß und Kochgelegenheit vorhanden sind; die Wohnungseigenschaft von Räumen setzt aber nicht ihre Abgeschlossenheit voraus.

 

Tatbestand

Die Klägerin als Vermieterin verlangt von den Beklagten als Mieterin die Räumung der von diesen im Hause H. 6 in E. bewohnten 2 Wohnräume, die diese seit dem 1. Juni 1969 innehaben.

Mit Schreiben vom 31.1.1975 kündigte die Klägerin den Mietvertrag gemäß § 564b Abs 4 BGB zum 31.10.1975. In diesem Schreiben wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Kündigung nicht auf § 564b Abs 1 BGB gestützt werde. Mit Schreiben vom 14.8.1975 haben die Beklagten der Kündigung widersprochen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangt. Daraufhin hat die Klägerin Räumungsklage erhoben, die den Beklagten am 13.9.1975 zugestellt wurde. Im Jahre 1973 hatte die Klägerin bereits Räumungsklage wegen Eigenbedarfs erfolglos betrieben. (10 S 578/73 LG E.).

Die Klägerin stützt ihre Klage auf § 564b Abs 4 BGB und hat behauptet:

In ihrem Hause seien keine abgeschlossenen Wohnungen vorhanden. Vielmehr gingen auch die Türen der Wohnräume der Beklagten, die im Erdgeschoß wohnen, unmittelbar auf den Flur, der gleichzeitig Zugang zu den Wohnräumen der Klägerin sei, was unstreitig ist. Außerdem benötige sie in ihrem Alter von 86 Jahren zunehmend die Hilfe von Verwandten. So würde ihre derzeit in der Schweiz lebende Tochter, worauf im Kündigungsschreiben hingewiesen worden ist, gerne zurückkehren, um ihre Mutter im Alter zur Seite zu stehen. Ferner würde ihre in den USA verheiratete Tochter gern mit ihrem Ehemann öfter ihre Mutter besuchen, was jedoch nur möglich sei, wenn ihr die Räume der Beklagten zur Verfügung stünden. Schließlich sei es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten und Spannungen gekommen, weil die Beklagten sich über das ausdrückliche Rauchverbot der Klägerin hinweggesetzt hätten, obwohl diese gegen Rauch allergisch sei. Ferner durchzögen oft unangenehme Gerüche aus der Toilette der Beklagten den Hausflur. Beim Säubern ihrer Wohnräume seien die Beklagten auch unordentlich, insbesondere was die Säuberungsarbeiten vor dem Haus und an der Straße betreffe. Außerdem würden die Beklagten einen Hund halten, womit sie, die Klägerin nicht einverstanden sei. Gegenüber einem städtischen Beamten habe die Beklagte zu 2) geäußert, die Klägerin sei eine böse Frau, was die ganze Straße wüßte (Beweis: Zeugnis des Herrn D.).

Sie, die Klägerin, sei an der Rückerlangung der Wohnung auch deshalb interessiert, weil ein angeheirateter Neffe aus I. dort arbeitslos geworden sei, jetzt in D. arbeite und zur Zeit behelfsmäßig bei der Klägerin wohne, aber gerne mit seiner Frau, die ausgebildete Krankenschwester sei, in die Räume der Beklagten ziehen würde.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen im Hause der Klägerin in E. innegehaltenen 2 Wohnräume, eine Küche, ein Bad und eine Toilette mit Ablauf des 31. Oktober 1976 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet:

Bei dem Haus der Klägerin handele es sich um ein dreigeschossiges Haus, in dem früher 3 Parteien gewohnt hätten (Beweis: Zeugnis des Herrn D.). Die im Dachgeschoß des Hauses gelegenen 4 Räume nebst Bad/Toilette, die zur Zeit leerstünden, seien geeignet, eventuellen Eigenbedarf der Klägerin zu decken. Im übrigen würde durch einen Umzug der Beklagten der schlechte Gesundheitszustand der Beklagten verschlechtert. Eine Ersatzwohnung hätten sie auch nicht finden können. Was das Rauchen anbetreffe, würde nur gelegentlich von Besuchern geraucht, dann aber stets gelüftet. Auch die übrigen Vorwürfe träfen nicht zu.

Die Klägerin hat den Einheitswertbescheid des Finanzamtes E. vom 1. Oktober 1968 vorgelegt, in dem das Haus als Einfamilienhaus bewertet wird.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Ortsbesichtigung und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 44, 49 und 54ff dA Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung: Ein Kündigungsrecht gemäß § 564b Abs 4 BGB läge nicht vor, da sich im Hause der Klägerin insgesamt 3 Wohnungen befänden. In den im Dachgeschoß befindlichen Räumen könne ein eigener Haushalt geführt werden, da ein voll eingerichtetes Bad, ein Wasseranschluß und Stromanschluß vorhanden seien, so daß eine Kochgelegenheit auch gegeben sei. Ein Kündigungsrecht gemäß § 564b Abs 1 BGB könne nicht angenommen werden, da die Klägerin in ihrem Kündigungsschreiben hierauf ausdrücklich verzichtet habe.

Aber selbst wenn man das Haus als Zweifamilienhaus ansehen würde, sei der Widerspruch der Beklagten gemäß § 556a BGB begründet. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen überwögen die Interessen der Beklagten, die aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Mietve...

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