Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietkündigung wegen Eigenbedarf und Modernisierungsabsicht
Orientierungssatz
1. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs verstößt gegen Treu und Glauben und ist unwirksam, wenn dem Vermieter freie Wohnungen in seinem Haus zur Verfügung stehen und er ohne triftige Gründe keine dieser Wohnungen benutzt.
2. Die Absicht des Vermieters, eine Wohnung umfassend zu modernisieren, rechtfertigt nicht die Kündigung des Mietvertrages nach BGB § 564b Abs 2 Nr 2. Der Vermieter kann lediglich die Duldung von Maßnahmen im Rahmen des BGB § 541a verlangen.
Tatbestand
Die Beklagten sind seit 1973 Mieter einer 3-Zimmer-Wohnung im 2. Obergeschoß (Dachgeschoß) des Hauses der ca 56 Jahre alten Klägerin in L., Sch.-Straße. Die Grundmiete beträgt monatlich 250,-- DM. Die Eltern der Beklagten Ziff 2 wohnen im Erdgeschoß des Hauses. Die Klägerin lebt zusammen mit ihren 89 bzw 79 Jahre alten Eltern in deren Haus in M.-F.; sie hat dort ein ca 10 qm großes Zimmer.
Mit Schreiben vom 1.10.1974 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 31.1.1975 wegen Eigenbedarfs unter Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit; ein schriftlicher Widerspruch erfolgte nicht. Während des vor dem Amtsgericht Weinheim angestrengten Räumungsprozesses sprach die Klägerin durch Schriftsatz vom 11.12.1975 die fristlose Kündigung aus.
Ab 1.2.1975 stand im Anwesen der Klägerin 3 Monate lang eine 2-Zimmer-Wohnung (Hofwohnung) leer, bevor sie wieder vermietet wurde. Die ab 1.1.1976 im 1. Obergeschoß des Hauses freiwerdende Wohnung vermietete die Klägerin anderweitig, obwohl die Beklagten bereit waren, in diese Wohnung einzuziehen.
Das Amtsgericht Weinheim hat die unter dem 1.7.1975 erhobene Räumungsklage nach Durchführung einer Beweisaufnahme (vgl Protokolle vom 17.12.1975 und 1.4.1976, Abl I 45, 62) durch Urteil vom 1.6.1976 abgewiesen. Wegen der Begründung sowie wegen des Vorbringens der Parteien vor dem Amtsgericht und der dort gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen. Gegen das nicht zugestellte Urteil legte die Klägerin am 16.7.1976 Berufung einschließlich der Begründung ein.
Die Klägerin trägt, wie im wesentlichen schon vor dem Amtsgericht, vor, daß sie nach 30-jährigem Zusammenleben mit ihren Eltern einen eigenen Hausstand gründen wolle; diese Absicht stelle einen vom Gesetz gerechtfertigten Eigenbedarfsgrund dar. Ihr weiterhin verständlicher Wunsch, in der Nähe der Eltern zu leben, lasse sich nur verwirklichen, wenn die Eltern ebenfalls in ihr - der Klägerin - Haus, und zwar in die Erdgeschoßwohnung ziehen würden. In die ab 1.1.1976 freigewordene Wohnung habe sie aus Ersparnisgründen nicht einziehen wollen, da diese bereits modernisierte Wohnung auf eine Grundmiete von monatlich 375,-- DM erhöht werden solle; bisher werde 300,-- DM Mietzins verlangt. Der von den Beklagten angebotene Tausch sei für sie - die Klägerin - nicht akzeptabel, weil die Beklagten während ihrer Mietzeit bereits mindestens 3 Wasserschäden verursacht hätten und der Beklagte Ziff 1, als er deswegen zuletzt zur Rede gestellt worden sei, den Vater der Klägerin beschimpft und bedroht habe. Letzterer Vorfall sei auch der Grund der fristlosen Kündigung. Die ursprüngliche ordentliche Kündigung sei wegen der durch unsachgemäße Hantierung mit Wasser verursachten Wasserschäden begründet. Schließlich stelle auch die Absicht, die Wohnung der Beklagten zu modernisieren, einen Kündigungsgrund dar; denn die erforderlichen Arbeiten könnten nur im Falle des Auszugs der Beklagten durchgeführt werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Weinheim vom 1.6.1976 aufzuheben und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die von ihnen innegehaltene Wohnung im Hause der Klägerin in L. zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreiten unter Hinweis darauf, daß die Klägerin zwischenzeitlich weder in die 2-Zimmer-Wohnung (Hofwohnung) noch in die Wohnung im 1. Obergeschoß eingezogen sei oder diese den Beklagten angeboten habe, daß bei der Klägerin Eigenbedarf vorliege. Die Wasserschäden seien von ihnen - den Beklagten - nicht verursacht und verschuldet worden. Bezüglich der Modernisierungsarbeiten seien sie zu jedem Entgegenkommen, auch zur Räumung der Wohnung für die Dauer der Arbeiten bereit. Der Vorfall zwischen dem Beklagten Ziff 1 und dem Vater der Klägerin berechtige nicht zur Kündigung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig gemäß den §§ 511ff ZPO. Sie ist aber unbegründet, weil weder die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 1.10.1974 noch die fristlose Kündigung vom 11.12.1975 wirksam ist.
1.
Die Wirksamkeit der Kündigung vom 1.10.1974 zum 31.1.1975 richtet sich nach § 1 1. WKSchG (Schmidt-Futterer, Wohnraumschutzgesetze, 2. Aufl, RdNr C 478). Kündigungsgründe nach dieser Vorschrift, deren Tatbe...