Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenbedarf bei drohender Grunderwerbssteuernachzahlung
Orientierungssatz
1. Das Interesse des Erwerbers einer Eigentumswohnung, bei weiterer Fremdnutzung eine ihm drohende Grunderwerbssteuernachzahlung abzuwenden, vermag keinen Eigenbedarf zu begründen.
2. Erwächst dem Erwerber aus dem Umstand, nicht in seine Eigentumswohnung einziehen zu können, wegen der Grunderwerbsteuernachzahlung ein erheblicher wirtschaftlicher Mehraufwand, so stellt dies ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dar.
3. Die 3jährige Kündigungsfrist bei der Umwandlung von Mietwohnung in Eigentumswohnungen ist in analoger Anwendung des BGB § 564b Abs 2 Nr 2 auch dann abzuwarten, wenn der Erwerber des Wohnungseigentums andere als Eigenbedarfsgründe geltend macht.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer einer Eigentumswohnung, die von den Beklagten seit dem 1.4.1969 zur Miete bewohnt wird und die nach Umwandlung von Grundstückseigentum in Wohnungseigentum nach § 8 WEG durch notariellen Vertrag vom 9.2.1973 von den Eheleuten ... an die Kläger verkauft wurde. Die Eintragung der Kläger im Grundbuch erfolgte am 5.10.1973.
Die in unmittelbarer Nachbarschaft der Beklagten wohnenden Kläger beabsichtigten, selbst in die derzeit von den Beklagten bewohnte Eigentumswohnung einzuziehen.
Mit Einschreiben vom 31.3.1976 kündigten sie den Beklagten zum 30.10.1976 und führten zur Begründung an, daß sie die Wohnung selbst benötigten, ansonsten die Grunderwerbssteuervergünstigung wegfalle und sie einen erheblichen Betrag an Grunderwerbssteuer zahlen müßten. Die Beklagten widersprachen der Kündigung.
Mit der am 15.9.1976 bei Gericht eingegangenen Klage begehren die Kläger Räumung und Herausgabe der Wohnung zum 31.10.1976, hilfsweise zum 30.4.1977.
Die Kläger haben behauptet, die Absicht zur Eigennutzung der Wohnung habe von Anfang an bestanden. Sie haben die Ansicht vertreten, die im Falle der weiteren Fremdnutzung ihrer Eigentumswohnung anfallende Grunderwerbssteuer iH von 7.917,-- DM plus Zuschlag begründe einen Eigenbedarf. Die Kündigungsgründe seien auch zutreffend und ausreichend im Kündigungsschreiben angeführt worden.
Sie sind ferner der Auffassung gewesen, die Wartefrist des § 564b Abs 2 Nr 2 Satz 2 BGB beginne mit Vertragsschluß (9.2.1973) und nicht mit der Eintragung im Grundbuch (5.10.1973); sie sei daher am 8.2.1976 abgelaufen. Zumindest könne die Kündigung innerhalb der 3-Jahres-Frist zum Ablauf der Frist erklärt werden.
Die Kläger haben bestritten, daß eine Ersatzwohnung für die Beklagten zum 31.10.1976 nicht zu finden sei.
Mit Schriftsatz vom 19.10.1976 haben die Kläger das Mietverhältnis mit den Beklagten fristlos gekündigt mit der Behauptung, die Beklagten hätten den klägerischen Ehemann in Gegenwart Dritter angeschrien und mit "Papst" angeredet, als dieser eine Blaufichte umsetzte, die nach ihrer - der Kläger - Meinung den Hauseigentümern gehöre. Weiterhin haben sie behauptet, bereits vorher habe der beklagte Ehemann den Klägern einen "Vogel gezeigt" sowie "Männchen gemacht".
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Wohnung im Hause K., H. 13 - erste Etage links -, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Korridor, Toilette, Kellerraum und die Garage zum 31.10.1976 zu räumen und an die Kläger herauszugeben.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Ansicht vertreten, ein Eigenbedarf der Kläger ließe sich nicht mit den vorgebrachten steuerlichen Erwägungen begründen. Diese hätten nichts mit der bisherigen Wohnung der Kläger zu tun, was aber Voraussetzung für einen Eigenbedarf sei. Im übrigen haben die Beklagten behauptet, die jetzige Wohnung der Kläger sei größer und schöner als ihre Wohnung. Sie haben ferner die Kündigung für unwirksam gehalten, weil darin ein Eigenbedarf nicht genügend erläutert sei.
Sie sind der Auffassung gewesen, die Frist des § 564b Abs 2 Nr 2 Satz 2 BGB beginne erst mit der Eintragung im Grundbuch (5.10.1973) und sei daher erst am 4.10.1976 abgelaufen. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs sei erst nach Ablauf der Frist zulässig; die vorher am 31.3.1976 erklärte Kündigung der Kläger sei daher gemäß § 134 BGB unwirksam.
Ferner haben sie behauptet, eine wegen des Gesundheitszustandes des beklagten Ehemannes erforderliche gleichwertige Ersatzwohnung hätten sie trotz Beobachtung des Wohnungsmarktes in der Zeitung nicht finden können.
Die Beklagten haben der fristlosen Kündigung widersprochen und bestritten, die Kläger angeschrien zu haben. Vielmehr hätten sie nur so laut gesprochen, wie es zur Verständigung von der 1. Etage zur Parterre notwendig gewesen sei. Auch sonst hätten sie sich den Klägern gegenüber nicht beleidigend verhalten.
Durch Urteil vom 10.11.1976 hat das Amtsgericht Königswinter die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Ein Eigenbedarf der Kläger iS von § 564b Abs 2 Nr 2 BGB liege nicht vor. Die von den Klägern behaupteten Vorfälle rechtfertigten eine fristlose Kündigung nicht.
Gegen dieses nicht...