Verfahrensgang

AG Kassel (Beschluss vom 20.10.2022; Aktenzeichen 800 C 2664/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird die Streitwertfestsetzung im Beschluss des AG Kassel vom 20.10.2022 abgeändert, der Streitwert wird auf 1.237,50 EUR festgesetzt.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit der Klage begehrten die Kläger von der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft die Ermächtigung zur Einberufung einer Eigentümerversammlung mit einer bestimmten Tagesordnung. In der begehrten Tagesordnung, die als Anlage zur Klage eingereicht wurde, finden sich acht Beschlussvorschläge. Das Gesamtinteresse der erwünschten Beschlüsse hat das Amtsgericht unbestritten mit 4.950 EUR bemessen.

Das Amtsgericht hat den Streitwert auf 4.950 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, die erstrebt, den Streitwert allenfalls mit den möglichen Kosten für die Durchführung einer Eigentümerversammlung zu bemessen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist nach § 68 GKG statthaft und zulässig, auch der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Auch wenn sich dies aus dem Wortlaut des Klageantrags nicht ganz eindeutig ergibt, handelt es sich vorliegend um eine Beschlussersetzungsklage § 44 Abs. 1 S. 2 WEG. Denn das reformierte Wohnungseigentumsrecht hat den Streit, in welcher Form sich ein Eigentümer zur Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung ermächtigen lassen kann, dahingehend gelöst, dass dies durch einen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung geschieht. Fehlt es an einem derartigen Beschluss, ist ein vermeintlicher Anspruch im Wege der Beschlussersetzungsklage geltend zu machen (Bärmann/Merle, WEG § 24 Rn. 33; Jennißen/Schultzky § 24 Rn. 31a).

Der Streitwert bemisst sich daher nach § 49 GKG nach dem Gesamtinteresse aller Wohnungseigentümer, wobei das 7,5fache klägerische Interesse die Grenze bildet.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist das Gesamtinteresse allerdings nicht mit dem Interesse der begehrten Beschlüsse gleichzusetzen, andererseits ist es aber auch nicht sachgerecht, wie die Beschwerde meint, das Interesse lediglich mit den Kosten für die Durchführung einer Eigentümerversammlung zu bemessen.

Da der Streitgegenstand des Einberufungsverlangen nicht die begehrten Beschlussfassungen sind, sondern lediglich die Frage, ob eine Eigentümerversammlung mit den begehrten Tagesordnungspunkten einberufen werden kann, ist es nach der Rechtsprechung der Kammer nicht angängig, den Streitwert eines Einberufungsverlangens mit dem vollen Interesse an der begehrten Beschlussfassung gleich zu setzen (Kammer ZWE 2016, 292). Dies verkennt, dass der Kläger im Obsiegensfalle nicht bereits zu den begehrten Beschlüssen gelangt, sondern lediglich auf der Eigentümerversammlung die Möglichkeit erhält, die übrigen Eigentümer von der Notwendigkeit der Beschlussfassung zu überzeugen. Im Falle einer Beschlussablehnung ist damit die Vorbefassung durchgeführt, so dass ein Rechtschutzbedürfnis für eine Beschlussersetzungsklage besteht. Eine Gleichsetzung der Werte des Einberufungsverlangens mit einer Beschlussklage über die letztlich begehrten Beschlüsse ist daher nicht sachgerecht.

Allerdings kann das Interesse an der Durchführung der Eigentümerversammlung auch nicht völlig losgelöst von den nach Auffassung des Klägers zu behandelnden Themen bemessen werden, denn die Durchführung der Eigentümerversammlung wird im Regelfall – so auch hier – vom Kläger nicht als Selbstzweck begehrt, sondern dient der Fassung bestimmter Beschlüsse, hier unter anderem der Vorbereitung von Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan. Dieses Interesse ist bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen. Gegen die Annahme, alleine die Kosten der Durchführung der Eigentümerversammlung bildeten das Gesamtinteresse ab, spricht im Falle der Beschlussersetzungsklage auf Ermächtigung zur Einberufung auch, dass mit der Einberufung der Eigentümer lediglich im Innenverhältnis eine beschränkte Organstellung erhält, welche ihn berechtigt, für die Gemeinschaft die Einberufung vorzunehmen (BeckOK WEG/Bartholome, 51. Ed. 1.1.2023, WEG § 24 Rn. 42). Eine Vertretungsmacht im Außenverhältnis, die den ermächtigten Eigentümer etwa berechtigen würde, zu Lasten der Gemeinschaft Verträge über die Anmietung eines Saales einzugehen, ist damit nicht verbunden. Im Außenverhältnis bleibt es, wenn die Gemeinschaft – wie hier – keinen Verwalter hat, alleine bei der – unpraktikablen – Gesamtvertretung des § 9b Abs. 1 S. 2 WEG. Im Anschluss bestehende Erstattungsansprüche gegen die Gemeinschaft, können jedenfalls alleine den Streitwert nicht bestimmen.

Für das alte Recht entsprach es daher der Rechtsprechung der Kammer (ZWE 2016, 292), die im Schrifttum überwiegend auf Zustimmung gestoßen ist (Bärmann/Pick/Dötsch, 20. Aufl. 2020, WEG Anh. § 50 Rn. 27E; Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 49a GKG Rn. 22; Abramenko MietRB 2016, 168; krit. aber ohne Gegenvorschlag BeckOK WEG/Elzer, 51. Ed. 1.1.2023, WEG § 44 Rn. 131), dass d...

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