Leitsatz (amtlich)
Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist der Kenntnisstand der Eigentümer zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung. Spätere Erkenntnisse im Anfechtungsverfahren können nicht dazu führen, dass der Beschluss für ungültig zu erklären ist.
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Aktenzeichen 317 C 153/17) |
Tenor
Nach Erledigung des Rechtsstreits werden die Kosten des Rechtsstreits wie folgt verteilt: Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Kläger zu 10% und die Beklagten zu 90%. Die Kosten dieses Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 60 % und die Beklagten zu 40 %.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 1.000 EUR und für die erste Instanz auf bis zu 9.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens war lediglich noch die Auseinandersetzung der Parteien bezüglich eines Walnussbaums. Die Eigentümer hatten ein Gutachten über verschiedene Bäume eingeholt, welches bezüglich des streitgegenständlichen Baumes zu dem Ergebnis kam, dieser sei „nach Maßnahmen verkehrssicher” und als Maßnahme eine Fällung, alternativ eine Totholzbeseitigung und Kroneneneinkürzung empfahl. Mit den angefochtenen Beschlüssen (Nr. 7 und 8 zu TOP 12) wurde ein Antrag der Kläger auf Fällung des Baums abgelehnt und die Kroneneinkürzung und Totholzbeseitigung beschlossen.
Neben der Anfechtung dieser Beschlüsse haben die Kläger – was nach Berufungsrücknahme nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens war – eine Beschlussersetzung dahingehend begehrt, dass eine Baumfällung angeordnet wird. Ein vom Amtsgericht eingeholtes Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung eine Kroneneinkürzung die bestehende Bruchgefahr nicht beseitige, so dass eine Fällung erforderlich sei. Entsprechend hat das Amtsgericht den Beschluss antragsgemäß ersetzt und die angefochtenen Beschlüsse für ungültig erklärt.
Im Berufungsverfahren ist der Rechtsstreit bezüglich der Anfechtung der vorgenannten Beschlüsse für erledigt erklärt worden.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Berufung im Hinblick auf die vom Amtsgericht angeordnete Beschlussersetzung haben die Beklagten zurückgenommen, so dass sie insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben (§ 516 Abs. 3 ZPO). …
2. Im Hinblick auf die Anfechtung der Beschlüsse Nr. 7 und 8 zu TOP 12 beruht die Kostenentscheidung auf § 91a ZPO. Insoweit war nach summarischer Prüfung nur noch über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dies führt zu einer Auferlegung insoweit auf die Kläger, denn die Anfechtungsklage hätte keinen Erfolg gehabt. Die Kläger haben keine hinreichenden Gründe vorgetragen, die bei summarischer Prüfung zu der Wertung geführt hätte, dass die Beschlussfassungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Versammlung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen haben. Damit wären die Kläger insoweit aller Voraussicht nach unterlegen.
Die Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der gefasste Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, maßgeblich ist, ist allerdings umstritten. Der BGH hat diese Frage jüngst offengelassen (BGH NJW 2018, 328 Rn. 26).
Teils wird, wie dies auch das Amtsgericht getan hat, vertreten, entscheidend sei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da das Gericht eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle vorzunehmen habe (AG Hamburg ZMR 2011, 758; BeckOGK/Greiner, 1.12.2019, WEG § 26 Rn. 102.1; ders. FS Riecke 2019, S. 133, 142 f. auch mit ausführlichem Hinweis auf die unterschiedliche Sichtweise im Verwaltungsrecht; Staudinger/Lehmann-Richter (2018) WEG § 21, Rn. 103; ders. FS Riecke 2019, S. 287, 292 f.).
Demgegenüber wird andererseits auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung der Eigentümer abgestellt, da deren Willensbildung im Beschlussanfechtungsverfahren einer Überprüfung unterzogen wird, wobei häufig auf den möglichen Erkenntnisstand eines besonnenen Wohnungseigentümers unter Ausschöpfung aller zu diesem Zeitpunkt zugänglichen Erkenntnisquellen abgestellt wird (KG ZMR 2005, 470; LG Itzehoe ZWE 2016, 420; AG Hamburg-Blankenese ZMR 2012, 405; Bärmann/Merle § 21 Rn. 27a; Jennißen/Schultzky § 23 Rn. 177a; Jennißen/Suilmann § 46 Rn. 163a; Riecke/Schmid/Abramenko § 46 Rn. 42).
Die Kammer hat bisher, ohne dies näher zu problematisieren, ebenfalls auf den Zeitpunkt der Versammlung abgestellt, hieran hält sie fest. Gegenstand der Anfechtungsklage ist die gerichtliche Überprüfung der Beschlussfassung durch die Eigentümer.
Maßgeblich ist daher die Situation zum Zeitpunkt der Versammlung. Eine spätere Veränderung der Situation im Anfechtungsverfahren kann nicht dazu führen, dass ein ursprünglich rechtmäßiger Beschluss nachträglich rechtswidrig wird oder umgekehrt. Der BGH hat insoweit bereits für die Situation einer Gesetzesänderung entschieden, dass maßgeblich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Besc...